Macht uns unsere Arbeit zunehmend krank? Nein, sagt
der Bestsellerautor und Psychotherapeut Manfred Lütz. In einem Interview mit dem
Online-Magazin «go» zeigt er auf, wie wir mit Realitäten, zu der auch Arbeit
gehört, umgehen sollten.
Manfred Lütz
Die meisten von uns
arbeiten, und nicht wenige Menschen bei uns im Westen empfinden Arbeit als
Last. Laut einer Studie fühlt sich gar jeder zweite Deutsche vom Burnout
bedroht. Autor, Psychotherapeut und Chefarzt Dr. Manfred Lütz rückt im Interview mit dem (gerade preisgekrönten)Online-Magazin «go» die
Prioritäten zurecht. Arbeit müsse nicht unbedingt «Spass machen», sagt Lütz: «Manchmal
behaupten Patienten, ihr wesentliches Problem sei, dass die Arbeit ihnen keinen
Spass macht. Dann weise ich darauf hin, dass 80 Prozent der Deutschen ihre
Arbeit keinen Spass macht. Deswegen wird sie ja bezahlt. Ansonsten müsste man
Vergnügungssteuer zahlen.» Arbeit sei eben anstrengend.
«Burnout als Krankheit gar nicht vorgesehen»
Lütz, Leiter des
Alexianer-Krankenhauses in Köln, wurde bekannt mit seinen Büchern «Gott» und «Irre!».
In seinem neuen Buch «Bluff!» vertritt er die These, dass wir alle heute in
künstlichen Welten leben und dabei Gefahr laufen, das eigentliche Leben zu
verpassen. So versucht er, «dem irrationalen Psychoboom entgegenzuwirken». Die
Mode-Diagnose «Burnout» ist nach Lütz keine Krankheit, sondern ein Mischmasch
an Beeinträchtigungen, die jeder mal habe, zum Beispiel Schlaflosigkeit oder
Konzentrationsstörungen. Den Leuten werde aber eingeredet, sie seien krank und
müssten sich behandeln lassen. «In der internationalen Klassifikation
psychischer Krankheiten ist Burnout als Krankheit gar nicht vorgesehen. Das ist
dort eine Z-Kategorie, ähnlich wie soziale Probleme. Burnout ist inzwischen ein
Marketingbegriff, unter dem sogenannte Therapien von sogenannten Therapeuten
für sogenannte Patienten angeboten werden», so Lütz im Interview.
Schwere psychische Erkrankungen nehmen nicht zu
Auf die Feststellung,
dass laut WHO die Zahl der Depressionen weltweit stark ansteigt, entgegnet
Lütz: «Alle seriösen Fachleute sind sich darüber einig, dass die schweren
psychischen Erkrankungen nicht zugenommen haben. Das Problem ist, dass auch
durch naive Medienkampagnen irgendwelche Befindlichkeitsstörungen, die aber gar
keinen Krankheitswert haben, zu Krankheiten hochgejazzt wurden – und es für die
wirklich kranken Patienten deswegen keine Therapieplätze mehr gibt.» In
Deutschland sei «das System derart verkorkst, dass es Anreize gibt, möglichst
Gesunde zu behandeln.»
Die aktuelle Ausgabe des Magazins
Lütz rückt hier die
Verhältnisse zurecht: «Wenn sich jemand im Beruf überfordert, dann ist er
deswegen nicht gestört, sondern eben überfordert. Und wenn eine Frau plötzlich
von ihrem Mann verlassen wird, kann das schlimmer sein als eine schwere
Depression, aber es ist keine Krankheit, sondern eine gesunde emotionale Reaktion
auf eine schreckliche Situation. Eine solche Frau braucht keine Behandlung bei
einer Psychotherapeutin. Was ihr hilft, ist eine gute Freundin, die im besten
Fall selber schon mal so etwas durchmachen musste.»
Glück, die Bibel und ganzheitliches Leben
Lütz hält nichts von «all
den Glücksratgebern, in denen Autoren beschreiben, wie sie persönlich glücklich
geworden sind». Am Ende bleibe der Leser traurig zurück, weil er eben nicht der
Autor ist, und könne sich gerade das nächste Glücksbuch kaufen.
Viel hält Lütz dagegen
von Inspirationen, vor allem der Bibel: «Sie gibt viele Inspirationen.
Inspiration bedeutet ja wörtlich, dass man von etwas begeistert wird. Aus der
Bibel spricht der Heilige Geist, der sie geformt hat. Und dass dieser in
Menschen, die dafür aufgeschlossen sind, kreative Wirkungen erzeugt, ist gar
keine Frage. Ich kenne viele Manager, die sich von der Bibel inspirieren lassen
und auf dieser Grundlage sehr gute Führungskräfte sind», so Lütz.
Wichtig sei ein
ganzheitlicher Lebensstil – und dazu gehöre der Glaube. Lütz: «Ich glaube, dass
Ganzheitlichkeit ein Begriff ist, der nicht in die Medizin oder Psychotherapie
gehört, sondern zur Religion. Mit Körper, Seele und Geist ganz getragen ist man
erst, wenn man sich in Gottes Hand weiss.»
Zur Ruhe kommen
Aus der Bibel wisse
man zum Beispiel, dass man einen Tag in der Woche nicht arbeiten sollte. «Das
ist aber nicht nur deswegen gut, weil es Gottes Gebot ist, sondern das hat
zweifellos auch psychohygienische Effekte.» Und er fährt fort: «Am Sonntag
sollte man das Leben geniessen, wie es ist – auch im direkten Gegenüber zu
Gott –, während man sich unter der Woche müht, das Geld zu verdienen, das es
einem ermöglicht, am Sonntag auszuruhen.»
Lütz hat darum keine
Angst vor seinem bevorstehenden Ruhestand, der für viele ein «Unruhestand» ist:
«'Unruhig ist mein Herz, bis es ruhet in dir, oh Gott', hat der heilige
Augustinus gesagt», so Lütz: «Und wo er recht hat, hat er recht.»
Das ganze Interview erschien in «go – take the lead» – Magazin für
Führungskräfte, Ausgabe 9
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