Gibt es «das Beste für die Eltern und die Kinder»?
Andreas Link (Bild: zVg)
Eltern stehen heute vor
grossen Erwartungen durch Gesellschaft und Wirtschaft. Andreas Link (50),
Geschäftsführer der Schweizerischen Stiftung für die Familie, erklärt, was sich
verändert hat und wie Lösungen aussehen könnten.
Andreas
Link beschäftigt sich als Stiftungsmanager der Schweizerischen Stiftung für die
Familie intensiv mit Fragen rund um die Vereinbarkeit von Familien- und
Berufsarbeit. Im Gespräch weist er auf die wichtigsten Veränderungen der
letzten Jahre hin: So sei zum Beispiel die Erwerbsquote der
Mütter von Kindern bis sechs Jahren rasant gestiegen: von 51 auf 79 Prozent. Bei
Eltern mit Kindern unter 15 Jahren sei sie innerhalb von 15 Jahren von 79 auf
86 Prozent gestiegen. Auffällig ist auch die Erwerbsquote von Vätern mit
Kindern unter sechs Jahren: Sie liegt konstant bei rund 98 Prozent. Väter kleiner
Kinder haben somit die höchste Erwerbsquote innerhalb der gesamten Bevölkerung,
betont Link.
Arbeitsdruck
für Mütter
Das habe mit dem wirtschaftlichen Druck zu tun, der
auf jungen Familien liegt, so Andreas Link. Erwerbstätige Frauen reduzierten
ihre Familienarbeit jedoch nicht, während umgekehrt Väter, die mehr Hausarbeit
übernehmen, gleichzeitig ihre Berufsarbeit abbauen. «Ich beobachte aber bei
jüngeren Paaren neue und ermutigende Trends», so der Stiftungsleiter. «Sie
entscheiden sich sehr bewusst für Kinder und teilen die Familienarbeit stärker unter
sich auf.» Und: «Kinder und Familie sind gegenüber der Erwerbsarbeit wichtiger
geworden. Deshalb wollten junge Eltern auch vermehrt Teilzeit arbeiten.»
Gibt
es eine Ideallösung?
Für viele Christen sei es immer noch die Ideallösung,
dass ein Elternteil zu Hause bleibt. Das gehe aber nur, wenn man sich dies
leisten könne, auch im Blick auf die Altersvorsorge, gibt der Familienexperte
zu bedenken. Er warnt zudem: «Wenn 98 Prozent der Väter mit kleinen Kindern
erwerbstätig sind, dann haben wir einen massiven Vätermangel in unserer
Gesellschaft und aus christlicher Perspektive laufen wir Gefahr, ein falsches
Gottesbild zu prägen: ‚Gott, der Vater, mein Versorger, aber leider meistens
abwesend‘.»
Er rät deshalb jungen Paaren: «Sprecht miteinander. Schon
vor der Heirat. Schon vor dem ersten Kind. Wie teilen wir uns die
Familienarbeit auf, wie die Erwerbsarbeit? Stellt euch ehrliche Fragen, wie: Kann
ich mir als Mann vorstellen, dass meine Frau mehr verdient, beruflich
erfolgreicher ist als ich? Und: Nehmt euch Zeit für eure Kinder, vor allem im
ersten Lebensjahr!»
Lass mich los – und halt
mich fest
Doch was wäre angesichts oft schwieriger
Entscheidungen zwischen Berufsarbeit und Familie eigentlich das «Beste für das
Kind»? Dazu Andreas Link: «Das Beste für das Kind ist für mich, Vereinbarkeit
auf der Basis einer biblisch orientierten Pädagogik zu verstehen. Ich fasse sie
mit dem Satz zusammen: ‚Lass mich los und halt mich fest‘.» Bereits bei der
Geburt werde der Mutter das Kind ein Stück weit «entnommen». Gut sei, wenn es
immer wieder zurück zur Mutter kommen kann – bedingungslos!
Und noch besser,
wenn die Mutter nicht nur «da ist», sondern es versteht, die Bedürfnisse des
Kindes zu erkennen und zu stillen. Dies sei sogar wichtiger als die pure
Präsenz. Gut sei aber auch, wenn für das Kind eine zweite verlässliche Person,
insbesondere der Vater, da ist. Denn: «Bindung ist nicht da, um das Kind
festzuhalten, sondern um einen Hafen zu begründen, wohin das Kind (emotional)
jederzeit zurückkommen kann.»
Ideologisch
festgefahren
Ob und
wie weit beide Eltern berufstätig sein können und sollen, ist innerchristlich
umstritten. Es gibt diesbezüglich ideologisch festgefahrene Meinungen. Dazu
Link: «Wenn wir Vereinbarkeit ganz neu christlich
definieren und leben wollen, dann müssen wir das Thema entideologisieren. Zum
einen wird von Frauen erwartet, 100 Prozent zu arbeiten, nach dem Vorbild des
Mannes. Die andere Seite verlangt von ihr, 100 Prozent Mutter zu sein, weil
alles andere schädlich fürs Kind oder gar nicht ‚biblisch‘ sei.» Diese Seite
stemme sich gleichzeitig gegen eine mehrmonatige Elternzeit und andere
staatliche Unterstützung der Familie. «Die einen wollen alles staatlich regeln,
die anderen sehen Familie als Privatsache. Beide Seiten greifen jedoch massiv
in die Autonomie und Selbstbestimmung der jungen Familie ein», so Link.
Wie
sieht er denn einen «christlichen Weg» der Vereinbarkeit? Er
skizziert das ganz knapp mit fünf Postulaten:
1. Beziehungen sind
wichtiger als Geld.
2. Wir benötigen flexible Arbeitszeitmodelle.
3. Es braucht familiennahe Kinderbetreuung.
4. Die
Selbstbestimmtheit der Familie ist zu fördern.
5. Vereinbarkeit ist kein
Frauenthema, sondern geht uns alle an.
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