Den Nächsten lieben – was heisst das in einer multikulturellen
Gesellschaft? Die Europäische Evangelische Allianz EEA hat an ihrer
Jahreskonferenz Kontakte zu Muslimen zur Sprache gebracht.
Christine Schirrmacher
Der
technologische und soziale Wandel erschüttert die islamische Welt. Die
deutsche Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher sagte am 10.
Oktober an der EEA-Konferenz in Vendrell bei Barcelona, dass die Folgen dieses Wandels noch nicht absehbar seien, da viele Muslime erstmals die Quellen ihrer
eigenen Religion studieren könnten. Die Proteste des Arabischen Frühlings
seien auch dem Verlangen junger Araber nach einem sinnvollen Leben
entsprungen.
Religiöse Menschen…
Von
den 20 Millionen Muslimen in Europa bezeichnen sich laut Schirrmacher
90 Prozent als religiös: Inmitten der säkularen Gesellschaft beschäftigt
sie, wie sie mit Gott ins Reine kommen können. Sie seien auch für Begegnungen und Gespräche mit Christen offen.
Durch Medienberichte über gewalttätige Islamisten sollten sich Christen
nicht abhalten lassen, mit Muslimen vor Ort in Kontakt zu treten. Der
Islam gebe vielen Muslimen keine zufriedenstellenden Antworten, sagte
Schirrmacher mit Verweis auf das Menschenbild.
…in säkularem Umfeld
Die
Radikalisierung von Muslimen in freiheitlichen Gesellschaften könnte teilweise auch
damit zusammenhängen, dass sie mit ihrer Kultur und traditionsgebundenen
Religion auf säkular-überhebliches Unverständnis stiessen. Muslime, die
sich Christus anvertrauen, werden von ihrer Umgebung teils massiv unter
Druck gesetzt – auch in Europa. Manche wagten es nicht, christliche
Gemeinden aufzusuchen, sagte Schirrmacher. Doch für das Gespräch über
Grundfragen des Lebens – auf einem Kontinent mit mehr und mehr Muslimen –
seien sie von höchster Bedeutung.
Das Leben in die Hand nehmen
Die
Teilnehmenden der EEA-Konferenz studierten an drei Vormittagen das
Verhalten von Jesus gegenüber seinen Landsleuten und den religiösen
Autoritäten in Jerusalem anhand von Texten aus dem Johannesevangelium.
Der Theologe Samuel Escobar kommentierte die Heilung des Gelähmten am
Teich Bethesda am Sabbat. «Jesus lässt nicht zu, dass Religiosität der
Gnade und Barmherzigkeit im Weg steht.» Wie einst die methodistische
Erweckung in England, ermächtige heute der evangelikale Aufbruch in
Lateinamerikas Städten Menschen, ihr Leben in die Hand zu nehmen. «Die
Kirche sagt ihnen, dass sie für Gott wichtig sind.» Christen sollen, so
Escobar, säkulare Kritik an organisierten Formen von Religion wahrnehmen
und bereit sein für neues Wirken Gottes.
Vielfältige Initiativen
Die
evangelikale Szene zeichnet sich durch eine Vielfalt von Initiativen
aus, die auf gesellschaftliche Trends missionarisch reagieren und
Gemeinden zu einem ganzheitlichen Zeugnis verhelfen. Die dreieinhalb
Tage in Vendrell dienten dem Austausch über Herausforderungen wie
Migration und neue Medien. Die Veranstalter warfen unter anderem
Schlaglichter auf die EEA-Vertretung bei der UNO in Genf und auf
Albanien, wo die Evangelische Allianz vom Staat als Dachverband der seit
1991 entstandenen evangelischen Gemeinden anerkannt ist.
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