Die Zahl antisemitischer Vorfälle ist laut Herbert Winter, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, seit Juli doppelt so hoch wie sonst in einem Jahr. Er fordert den Bundesrat auf, dagegen ein klares Zeichen zu setzen. Doch reicht das?
Jerusalem mit dem Felsendom
«Wir erhalten Briefe, in denen bedauert wird, dass 'Hitler nicht alle Juden vergast' hat», sagt Herbert Winter. «Auf Facebook lesen wir reihenweise Kommentare wie 'nur ein toter Jude ist ein guter Jude', die erst noch viel Zustimmung erhalten.» Für Herbert Winter ist das alles «nichts anderes als menschenverachtender, gemeiner Judenhass».
Ganz gemeiner Judenhass
Herbert Winter weiss, wovon er redet. Seinem jüdischen Glaubensgenossen, dem Präsidenten der Jüdischen Kultusgemeinde Baden, Josef Bollag, hat der wegen seiner Nackt-Selfies in die Schlagzeilen geratene Badener Stadtammann Geri Müller eine «jüdische Verschwörung» unterschoben. Alte jüdische Feindbilder und Verschwörungstheorien feiern in den Tagen und Wochen des Gaza-Konflikts Urständ. Das Bild des hässlichen Juden taucht besonders – und das ist neu – in den sozialen Medien auf. Der geldgierige Jude, der Weltverschwörer, der Jesusmörder. Doch die Betreiber von Facebook und Co. wollen dafür keine Verantwortung übernehmen.
Eine Standortbestimmung
Für Christen ist das eine Aufforderung zur Standortbestimmung. Wie halten wir es mit den Juden? Oder aber mit anderen Minderheiten, welche für echte oder aufgebauscht Probleme verantwortlich gemacht werden? Ausländer, Asylbewerber, Muslime ... oder in der Sprache gewisser Parteiführer gesagt: mit Masseneinwanderern ausländischen Kriminellen, kriminellen Asylbewerbern, Dschihadisten, Islamisten?
Spüren wir Verständnis, wenn uns solche Feindbilder begegnen und für die Probleme unserer Zeit verantwortlich gemacht werden? Stimmen wir innerlich spontan zu, wenn schärfere Gesetze und neue Verfassungsbestimmungen geschaffen werden sollen, die sogar die Menschenrechte antasten? Oder reagieren wir da spontan mit der Haltung «So nicht!»? Eine Anregung zur Selbstprüfung.
Es braucht Stimmen wie die EVP-Präsidentin Marianne Streiff, die an der Delegiertenversammlung ihrer Partei am Samstag die geplante Asylinitiative gegeisselt hat. Denn es ist allmählich salonfähig geworden, dass sich die Schweiz nicht nur politisch gegenüber der EU abgrenzt, sondern auch gegen alles, was aus dem Ausland kommt und uns Probleme bereiten könnte. Das grosse Geld aus dem Ausland hingegen ist weiterhin willkommen.
Ein klarer Auftrag
Gelingt es Christen, gegenüber dieser um sich greifenden und mehrheitsfähig werdenden Haltung eine klare Antiposition entgegenzusetzen? Es sind oft wenige und überzeugte Stimmen, die eine unheilvolle Entwicklung bremsen oder gar stoppen können. Wo es salonfähig ist, das Fremde und das Ausland für die Probleme verantwortlich zu machen, sind es alsbald auch die Juden, die dran glauben müssen.
Es bringt wenig, deswegen über die Populisten und Antisemiten herzufallen. Christen müssen ein klares Nein gegen jedes Schüren von Vorurteilen und Hass haben. Und sie sollen jede Gelegenheit nutzen, sich als Friedensstifter und Friedensboten im Sinne des Evangeliums einzusetzen.
Oder wie es bereits Jesaja (52,7) sagt: «Wie lieblich sind auf den Bergen die Füsse der Boten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König!»
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