Kampfbegriff «evangelikal»

Wer und wie sind die «Evangelikalen» wirklich?

Während sich einige gerne mit dem Adjektiv «evangelikal» schmücken, lehnen ihn andere vehement ab, obwohl sie ähnliche Überzeugungen vertreten. Warum das so ist, beschreibt der österreichische Theologe Frank Hinkelmann.

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Frank Hinkelmann
Frank Hinkelmann könnte man einen engagierten «Evangelikalen» nennen. Er ist nicht nur Präsident der Europäischen Evangelischen Allianz (EEA), sondern auch Leiter von Operation Mobilisation (OM) in Österreich. Und er ist ein profunder Theologe, der bezeichnenderweise seine Doktorarbeit über die «Evangelikale Bewegung in Österreich» verfasst hat.

In jedem Land anders

Der Begriff «evangelikal» ist noch kaum 70 Jahre alt. Frank Hinkelmann hat sich die Mühe gemacht, die ganz unterschiedliche Geschichte dieses Adjektivs für gläubige Christen in den drei deutschsprachigen Ländern Deutschland, Schweiz und Österreich zu schildern. Der Vergleich zeigt, wie unterschiedlich evangelische Christen in diesen drei Ländern damit umgegangen sind und damit umgehen. Aber auch, wie sich säkulare Medien darauf eingeschossen haben, zum Beispiel der «Spiegel» in Deutschland oder der Tagesanzeiger in der Schweiz. Er vergleicht in einem Kapitel, woran sich säkulare Medienschaffende vor allem stören. Es ist nicht überall dasselbe, auch wenn sich die Stereotypen (gegen Abtreibung und Homosexualität, gegen Sex vor der Ehe, Schöpfung in sieben Tagen) gleichen.

Bekehrte sind Weltgestalter

Interessant ist die Beobachtung Hinkelmanns, dass sich «Evangelikale» schon seit jeher nicht nur mit den Begriffen Bekehrung, Wiedergeburt und Evangelisation identifizieren, sondern schon früh auch die soziale Verantwortung, Diakonie und die Veränderung der Welt Schwerpunkte waren. Und dies, obwohl die soziale Verantwortung in den Selbstbeschreibungen oft nicht vorkommt. Selbst in der Definition nicht, die Hinkelmann selbst mit fünf Punkten vorlegt: Dazu gehören die Heilige Schrift als inspiriertes Wort Gottes (1), der Tod Jesu Christi zur Versöhnung der Menschen mit Gott (2), Bekehrung und Wiedergeburt (3), persönliche Nachfolge Christi (4) und die Gemeinschaft aller Christen über alle Konfessionsgrenzen hinweg (5).

«Evangelikal» lieber vermeiden

Hinkelmann zeigt, dass man sich gerade in der Schweiz mit dem Begriff «evangelikal» schwer tut und auch tat. Organisationen wie der Bund Evangelischer Jungscharen BESJ oder die Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Missionen AEM, nannten sich zwar einige Jahre lang «evangelikal», verstehen sich heute aber als «evangelisch». Dass sich pietistische und freikirchliche Gruppen «evangelikal» nennen oder genannt haben, sei auf den Lausanner Kongress für Weltevangelisation von 1974 zurückzuführen, schrieb 1975 die Neue Zürcher Zeitung (NZZ).

Die beiden Religionssoziologen Jörg Stolz und Olivier Favre, der selbst freikirchlicher Theologe ist, weisen in ihrem Sammelband «Die Schweiz – viele Religionen: Risiken und Chance des Zusammenlebens» darauf hin, dass sich sogenannte Evangelikale in der Schweiz oft lieber als «evangelisch» oder «christlich» bezeichnen. Die Autoren haben die Bezeichnung «evangelisch-freikirchlich» eingeführt.

Selbst Ja sagen können

Hinkelmann zitiert ausführlich den Theologen und ehemaligen Livenet-Redaktor Peter Schmid, der 2009 in einem Vortrag die Buntheit der «Evangelikalen» beschrieb. Gemeinsam hätten sie aber folgendes: «Evangelikales Christentum steht im Zeichen der Einladung, die aufgrund des 'kairos' (2. Korintherbrief, Kapitel 6, Vers 2) ebenso dringlich wie freundlich ist – Einladung zum ganzheitlichen, verbindlichen Leben mit Jesus Christus, dem auferstandenen Herrn. Die Einladung ist aktuell in der Multioptionsgesellschaft, wo die Menschen einen religiösen Lebensstil suchen, in dem nicht alles vorgegeben, vom grossen Ja Gottes bestimmt oder von der Kirche durch ihre Sakramente verwaltet ist. Sie wollen selbst Ja sagen, mit diesem Ja in etwas Neues eintreten und Gottes Beistand auf ihrem neuen Weg erleben.»

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Frank Hinkelmann. Evangelikal: in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Ursprung, Bedeutung und Rezeption eines Begriffes
Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 2017. Pb. 168 S. 12.00 €. ISBN 978-3-86269-141-8.

Zum Thema:
Trump und die Evangelikalen: Wird «evangelikal» zum Unwort des Jahres?
Roy Moore: Warum der «evangelikale Kinderschänder» nicht gewählt wurde

Datum: 08.01.2018
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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