Syrien: Mädchen schrieb Prüfung trotz Scharfschütze
Die Kämpfe in Syrien
sind weniger geworden. Der Krieg gilt in diesen Tagen als nahezu beendet. Nun
beginnt der schwierige Wiederaufbau. Die Kameras sind weg.
Doch Christen leisten wertvollen Wiederaufbau und berühren dadurch ihre
Mitmenschen. Gegenüber Livenet berichtete die syrische Schwester Annie, wie
sie den Einheimischen im Alltag beisteht und wie ein kleines Mädchen während
des Krieges zu ihrer persönlichen Heldin wurde.
Schwester Annie
Auch während der Kriegsjahre gab Schwester Annie Schulunterricht
– und fand einen bewegenden Hoffnungsfunken. «Ich war in der Schule und es
wurde gerade ein Examen geschrieben.»
Plötzlich war auf dem Korridor ein Geräusch zu hören. «Wir sahen den Verputz herunterrieseln und dann eine Kugel.
Scharfschützen waren in der Lage, unseren Korridor zu treffen. Die Schulleitung
sagte, wir sollten vorsichtig sein und ich bat die Kinder, von den
Fensterplätzen wegzukommen.» Still führten sie das Examen weiter. «Ein kleines
Mädchen sass unter dem Lehrerpult und führte dort seine Schreibarbeit versteckt
weiter. Da konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten und ich sagte zu ihr: 'Du
bist eine Heldin unserer Zeit!' Das war unbeschreiblich für mich.»
Kerze in der einen,
Gebetsbuch in der anderen Hand
Strasse in Syrien
Das Leben während des Krieges war schwer in Aleppo. «Mehrere Jahre lang hatten wir keinen Strom. Manchmal hatten wir auch kein Wasser
und nichts zu essen. Als wir keine Elektrizität hatten, trugen wir in der einen
Hand das Gebetsbuch und in der anderen die Kerze, um zu lesen. Das war
eine schwere Zeit. Oft war uns kalt.»
Damals schlugen viele Bomben in Aleppo, dem Wirkungsgebiet
von Schwester Annie, ein. Einmal, als es besonders viele waren, «dachten wir,
dass am nächsten Tag niemand zum Gebet kommen würde. Doch die Kirche war voll.
Diese Entschlossenheit macht Mut. Wir versuchen, den Menschen in unserem Land
beizustehen.»
Den Menschen Würde
bringen
«Nun, wo der Krieg in verschiedenen Gegenden in Syrien zu
Ende gegangen ist, arbeiten wir weiterhin für unser Volk», sagt Schwester Annie. «Wir können nicht einfach damit
aufhören und sagen, dass der Krieg ja vorbei ist. Die Menschen brauchen Zeit, um
sich zu erholen. Wir wollen ihnen helfen, wieder selbst auf eigenen Beinen
stehen zu können. Das braucht Zeit.»
Deshalb werden noch immer verschiedene Hilfsgüter verteilt
und es wird versucht, Arbeitsplätze zu generieren, «indem wir, zum Beispiel,
kleine Firmen und Fabriken eröffnen, wo möglichst viele einen Job finden. Das
bringt ihnen Würde.»
«Jesus kümmert sich um
eure Not»
Nun gehe es zudem darum, das Trauma des Krieges anzugehen.
«Dieses haben die Einwohner durch all die Verluste, die sie erlitten haben.» Seien es
geliebte Menschen oder auch sämtliche Existenzgrundlagen. «Zerstören ist
einfach. Doch der Aufbau wird Jahre dauern.» Dies gelte gerade auch für die schlimmen Erinnerungen, die viele Einwohner haben. «Sich davon zu erholen,
wird Jahre dauern.»
Man sage den Menschen nicht nur: «'Jesus hat euch lieb',
sondern: 'Jesus kümmert sich auch um eure Not.'» Millionen haben Syrien
verlassen. Viele Ortschaften sind zerstört. «Es ist eine grosse
Herausforderung, zerstörte Häuser und Städte wieder aufzubauen, aber es ist
eine noch viel grössere Herausforderung, die Menschen nach den Traumata und den
Verlusten, die sie erlitten haben, auf ihrem Weg der inneren Wiederherstellung
und Heilung zu begleiten.» In Zusammenarbeit mit «Open Doors» und anderen Werken
besucht sie dazu regelmässig mehrere Hundert Haushalte.
«Es ist wichtig, zu
beten»
Wichtig sei zudem das Gebet. «Es kann die Herzen und das Leben
von unserem Volk verändern. Es ist wichtig zu beten, dass die Menschen stark sind und mit den schwierigen Erlebnissen, die sie gemacht haben, umgehen
können.» Den Christen vor Ort bedeute es viel, zu wissen, dass es im Westen
Menschen gibt, die sie nicht vergessen haben, sondern für sie beten.
«Wir können nicht einfach sagen, dass diese Dinge weit weg
geschehen sind. Der Leib Christi erstreckt sich über die ganze Welt.» Und:
«Wenn ein Glied leidet, leidet der ganze Leib», zitiert Schwester Annie ein Bibelwort aus dem 1. Korintherbrief.
Dass sich Christen auch um Muslime kümmern, bewegt diese
sichtlich. Oft ist es vorgekommen, dass viele Mitglieder einer Kirche aus
dem Land ausgewandert sind – dennoch waren die Gemeindesäle stets voll, weil
suchende Menschen hineinströmten, um im kriegsverseehrten Land bei dem
Frieden zu finden, der von Syriens Nachbarland aus die Welt geprägt hat: Jesus
Christus.
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