Jesus erleben – in der Freikirche und der Landeskirche
Raphael Bachmann arbeitet in der reformierten Landeskirche
und leitet gleichzeitig in einer Vineyard Gemeinde mit. Trotz gegenseitigen
Voreingenommenheit und unterschiedlichen Betonungen im Glauben, geht es
letztlich immer darum, Menschen in ihrer Gottesbeziehung zu unterstützen und zu
begleiten.
Raphael Bachmann (Bild: zVg)
In seiner Kindheit bestand für Raphael Bachmann (heute 39) der
Unterschied zwischen Freikirche und Landeskirche darin, dass seine
Schulkameraden den kirchlichen Unterricht besuchten und er die Programme seiner
Freikirche. In seinem Dorf gab es neben seiner Freikirche die neuapostolische, die reformierte und die katholische Kirche.
Den
«rechten Glauben» haben
Raphael wuchs konservativ evangelikal auf. «Ich glaubte, genau zu
wissen, wie man zum richtigen Glauben kommt.» Entsprechend folgerte er, dass
die Leute in der Landeskirche, die Themen wie dem Pflegen einer persönlichen Beziehung zu Jesus ein anderes Gewicht einräumten, einen «anderen Zugang zum Glauben» hatten. Zuweilen glaubte er auch in Gesprächen mit
Kollegen wahrzunehmen, dass sich die «Landeskirchler» im Kollektiven nicht sicher sind, was sie
eigentlich glauben. Die Beobachtung von Mitgliedern der reformierten Kirche,
die wenig Interesse für Glaubensdinge hatten, schien diese Annahme zu
bestätigen.
Nach Abschluss des Theologiestudiums stieg er in die Gemeindearbeit
seiner Freikirche ein und hatte in diesem
Zusammenhang mit der Evangelischen Allianz vermehrt Berührungspunkte mit der
reformierten Landeskirche. «Es war ein lebendiger Austausch mit 15 Kirchen in
der Umgebung, davon fünf Landeskirchen. Wir gestalteten einen gemeinsamen Jugendgottesdienst. Da
spürte man kaum die unterschiedlichen Prägungen des Glaubens.»
«Willst
du bei uns mitarbeiten?»
Als Raphael von der
reformierten Kirche für eine Anstellung in der Jugendarbeit angefragt wurde, antwortete er: «Ich bin nicht reformiert
geprägt.» Er wusste nicht, ob er überhaupt reinpassen würde. «Bei einem
Gespräch erzählte ich, wie ich Gottes direktes Eingreifen
ins Leben mit Zeichen und Wundern erlebe.» Die Verantwortlichen hörten
interessiert zu und fragten: «Wärst du
bereit, uns mehr über all das zu erzählen?» Raphael war sehr
überrascht über diesen Wissensdurst. «Anfänglich hatte ich zwar nur eine Zehn-Prozent-Anstellung, trotzdem wurde ich von der Kirche als einer von ihnen
angenommen.»
«Jemand empfahl mir
eine Ausbildung zum Sozialdiakon.» Da er während der vergangenen Jahre
zahlreiche Weiterbildungen besucht hatte, konnte er diese, gemeinsam mit seiner Berufserfahrung, anrechnen lassen und erhielt die
ausserordentliche Genehmigung zum Sozialdiakon. Heute ist Raphael von der
reformierten Kirche Arisdorf (BL) und Othmarsingen (AG) zu 80 Prozent
angestellt, daneben ist er zu 20 Prozent in der Vineyard Liestal
und hat kleinprozentige Vertretungen in unterschiedlichen Landeskirchen
getätigt.
Angst
vor den «Andersgläubigen»
Da Raphael
gleichzeitig die Freikirche Vineyard Liestal mitleitet und in der reformierten
Kirche arbeitet, muss er mit Skepsis von vielen Seiten rechnen.
Interessanterweise erlebt er aber nur in geringem Masse
Unverständnis oder sogar Widerstand. «Eltern von Kindern, die ich in der
reformierten Kirche unterrichte, reagierten besorgt, als sie merkten, dass ich
auch in einer Freikirche tätig war. Ich konnte ihnen dann aufzeigen, dass es mir nicht um einen bestimmten
Stil oder einen bewussten konfessionellen Hintergrund geht, sondern um die Unterstützung einer individuellen Begegnung mit Jesus Christus.»
Und schon war die Situation entspannt. Doch auch unter Freikirchlern braucht es zuweilen Erklärungen, da manche freikirchliche
Vorstellungen nicht mehr mit den Überzeugungen von Raphael übereinstimmen. Er
versucht, in diesen Gesprächen Brücken zu bauen, schliesslich litt er ja selbst viele Jahre unter Vorurteilen der Landeskirche gegenüber.
Die Reformierten
erwarten, dass die Kirche ihren Glauben vorlebt und nicht nur darüber spricht.
Die Kirche soll den Glauben leben, was die Mitglieder nach Möglichkeit unterstützen. In Freikirchen wird der persönliche Ausdruck des Glaubens mehr betont. «Jeder lebt seinen
Glauben auf persönliche Weise im Alltag und in der Gemeinde.»
Das
Gute erkennen und das Beste fördern
In evangelikalen Kreisen beobachtete Raphael, wie die
christliche Überzeugung im Glauben und Leben stark betont werden, während in
der reformierten Kirche der Schwerpunkt auf den praktischen gesellschaftlichen
Auswirkungen des Glaubens liegt. Es ergibt keinen Sinn, diese Sichtweisen
gegeneinander auszuspielen. «Es begeisterte mich, Menschen einfach darin zu
unterstützen, mit ihrem Leben Gott zu begegnen.»
So lehrte Raphael die Kinder in der Landeskirche, auf Gottes Stimme in
ihren Herzen zu hören. «Die reformierten und konfessionslosen Eltern hatten
keine Probleme damit. Sie fanden es sogar spannend zu hören, dass ihre Kinder den Glauben auf ganz lebendige Weise erlebten.» Am meisten freut er
sich über Jugendliche, die eine Begegnung mit Jesus erleben und darüber
erzählen. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies in der Landeskirche oder in
einer Freikirche geschieht.
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