Das Netzwerk «Kirche und Corona» beurteilt die Impfempfehlung des
Verbandes Freikirchen Schweiz als «höchst problematisch». Sie sei nicht
die Aufgabe eines Kirchenverbands. Der damit aufgebaute «moralische
Druck» polarisiere und behindere die Einheit unter Christen. Das 10-Punkte-Papier
unterschrieben haben ein gutes Dutzend Theologen und Ärzte. Darunter
Benjamin Kilchör, Professor für Altes Testament an der STH Basel, und
Matthias Gockel, Theologe an der Uni Basel.
Die Unterzeichner befürchten, dass durch die Impfempfehlung des
Freikirchenverbandes Christinnen und Christen, «die sich aus
verständlichen Gründen vorläufig nicht impfen lassen wollen, als
unsolidarisch, vielleicht sogar als fahrlässig und egoistisch» dastehen.
Eine echte Freiwilligkeit sei so nicht mehr gegeben.
«Tendenziöse Stellungnahme»
Die vom Freikirchenverband publizierten ethischen Überlegungen
seien unvollständig. «Von einer solchen kann nur dann gesprochen
werden, wenn tatsächlich beide Seiten, also Nutzen und Risiko, objektiv
und nüchtern dargestellt werden.» Das Papier wird vom Netzwerk als «tendenziös» bezeichnet. Kritische und vorsichtige Stimmen kämen darin
nicht zu Wort.
In dieser Frage seien aber Vorsicht und Zurückhaltung
nicht unwissenschaftlich. Das zeigten kritische Stimmen von Medizinern
und Wissenschaftlern sowie eine geringe Impfbereitschaft beim
Pflegepersonal.
Theologische Argumentation erwartet
Von einem Kirchenverband hätte man primär theologische
Argumentationen im Zusammenhang mit der Pandemie erwartet, heisst es im
Papier weiter. Zudem zählen die Kritiker Fragen auf, die ihrer Meinung
nach beantwortet werden sollten: «Wie sollen wir die Corona-Krise
biblisch-theologisch einordnen? Wie ist die 'Unterordnung unter die
Obrigkeit', von der Paulus in Römer Kapitel 13 spricht, theologisch zu
verstehen? Was bedeutet Solidarität konkret? Vor welchen
gesellschaftlichen Entwicklungen muss gewarnt werden?»
Verband soll seine Empfehlung überdenken
Die Kirchen sollten jetzt eine «seriöse ethische Debatte zu dieser
komplexen und weltweiten Krise anmahnen». Wie einer der Unterzeichner,
der Mediziner und Pastor Peter Prock, sagt, erwarte man, dass der
Freikirchenverband seine Empfehlung überdenke und eine ausgewogene
Lagebeurteilung «ohne einseitige Impfempfehlungen kommuniziert».
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