«Ich konnte auch in brenzligen Situationen ruhig bleiben»
Marc Jost beim SRF Club (Bild: Screenshot SRF)
Als Stimme der Schweizerischen Evangelischen
Allianz (SEA) zur «Ehe für alle» ist Generalsekretär Marc Jost zur Zeit auf
allen Kanälen präsent. Wir fragten ihn, wie er dabei argumentiert und wie er
sich für den Abstimmungskampf motiviert.
Sie sind von den verschiedensten Medien – von Livenet.ch über den SRF Club bis zur NZZ – über Ihre Position zur «Ehe für
alle» befragt worden. Welche Interviews und Podiumsdiskussionen haben Sie als
besonders anspruchsvoll empfunden?
Die Diskussion im SRF Club sowie die
Radiosendung «Forum» auf SRF 1 waren am Anspruchsvollsten. Beide Formen waren
für mich neu. Im Club die relativ lange Diskussion in grosser Runde und am
Radio die Herausforderung, live auf Hörerfragen zu antworten. Aber beide
Erfahrungen waren für mich positiv. Ich fühlte mich von der Thematik her gut
vorbereitet und konnte auch in brenzligen Situationen ruhig bleiben. Ich wurde
doch teils stark angegriffen…
Wer gegen «Ehe für alle» ist, steht im medialen Gegenwind. Wie
gehen Sie damit um?
Glücklicherweise wurde ich bisher mit
polemischen Kommentaren und Nachrichten unter der Gürtellinie grösstenteils
verschont. Das mag auch daran liegen, dass ich mich sehr um einen respektvollen
und freundlichen Dialog bemühe.
«Ehe für alle» entspricht dem zeitgeistigen Paradigma, dass jedermann
können und dürfen soll, was niemandem schadet. Wie kontern Sie diese
verbreitete Haltung?
Der wichtigste Punkt ist genau der Irrtum,
dass das eigene Verhalten niemandem schade. Denn bei der Ehe für alle wird mit
der Samensende für lesbische Paare dem Kind nicht nur der biologische, sondern
zusätzlich auch der soziale Vater vorenthalten. Dieser Umstand wird heute in
der Gesellschaft verbreitet schöngeredet. Ich bin jedoch überzeugt, dass es eingrosses Risiko für die betroffenen Kinder darstellt. Sie leben mit einem
potenziellen Identifikationskonflikt, woher komme ich? Und sie leben mit einem
entwicklungspsychologischen Nachteil; sie können sich nur an einem Geschlecht
in der kindlichen Entwicklung orientieren. Es ist aus meiner Sicht falsch, den
Kinderwunsch dem Kinderwohl überzuordnen.
Wie haben Sie Diskussionen mit direkt Betroffenen erlebt?
Bisher waren die Diskussionen sehr
angenehm, weil nur selten auf den Mann gespielt wurde. Grösstenteils verliefen
die Debatten sehr sachlich. Was mich stört, ist, dass mir hie und da Heuchelei – oder schlimmer – Rassismus vorgeworfen wird. Obwohl der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte gerade erst im Juli ein Urteil gefällt hat, das
besagt, dass durch das Partnerschaftsgesetz homosexuelle Paare nicht
diskriminiert werden – auch wenn die Ehe Mann und Frau vorbehalten bleibt. Es
hat nach dem Grundsatz entschieden, dass nur Gleiches gleich behandelt werden
soll. Und Ehe und Homopaare unterscheiden sich eben in wesentlichen Punkten.
Wie beantworten Sie das Argument, dass es schliesslich bei «Ehe für alle»
um Gleichberechtigung geht?
Die erwachsenen Partner sind bereits heute
rechtlich umfassend geschützt und Ehepartnern fast gleichgestellt. Bloss in
einzelnen Punkten besteht Verbesserungsbedarf. Zum Beispiel bei erleichterter
Einbürgerung oder der Gütergemeinschaft. Aber als Eltern können
gleichgeschlechtliche Paare nicht gleichgestellt werden, weil sie nicht Kinder
zeugen können. Die Natur setzt hier schlicht Grenzen, die akzeptiert werden
sollten.
Wie beschreiben Sie in der Debatte die biblische Position zum Thema?
Für mich wie für viele Theologen aller
christlichen Konfessionen über etliche Jahrhunderte ist das Zeugnis der Bibel
klar: Die Ehe ist die Verbindung von Mann und Frau. Nur die beiden können –
auch gemäss Jesus – «ein Fleisch» werden. Und die Ehe ist auch der Ort, wo
neues Leben entsteht. Daher hat sie – trotz aller Vielfalt der Familienformen
in der Bibel – eine besondere Stellung und einen besonderen Schutz. Dieser
kommt anderen Formen des Zusammenlebens nicht gleichermassen zu.
Wie motivieren Sie sich angesichts von Umfragen, die der «Ehe für alle»
einen hohen Abstimmungssieg voraussagen?
Ich fühle mich den Kindern, der
zukünftigen Generation verpflichtet: So wie wir uns um die Lösung der
Klimakrise und der globalen Armutskrise kümmern müssen, sind wir ebenso
gefordert, den Kindern so gute Familienverhältnisse wie möglich
sicherzustellen.
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