Der Umgang mit «Migrationskirchen» kann
anspruchsvoll, aber auch verheissungsvoll sein. Die Basler Theologin Claudia
Hoffmann hat solche Kirchen und ihre Schweizer Partner besucht und daraus in
einem Buch ihre Folgerungen gezogen.
Das Buch stellt das
Ergebnis eines Forschungsprojektes dar, das Claudia Hoffmann an der
Theologischen Fakultät durchführen konnte. Sie wollte herausfinden, wie
Beziehungen zwischen Schweizer Kirchen und Migrationskirchen gelebt werden und
welche theologischen Schwerpunkte dabei sichtbar werden. Sie beschränkte sich auf
Migrationskirchen im Aargau, weil dieser Kanton die Schweiz mit
ländlichen und städtischen Regionen gut repräsentiere. Die Ergebnisse seien
aber auf andere Regionen der Schweiz und darüber hinaus anwendbar.
Charismatische
Migrationskirchen auf dem Vormarsch
Claudia Hoffmann erklärt, sie habe aus praktischen Gründen zuerst Gemeinden besucht, die ihr schon bekannt
waren und habe dann im Schneeballsystem weitere, vor allem evangelische, Gemeinden
miteinbezogen. «Klar wurde mir dabei, dass die charismatischen Kirchen auf dem
Vormarsch sind.»
Ein zweiter Fokus lag auf eritreischen Kirchen, da die meisten
Asylbewerber in den letzten Jahren aus Eritrea kamen, wobei es unter Eritreern
unterschiedliche Kirchen gebe. Im Buch sind nun zehn Kirchen portraitiert, neun davon
leben eine «evangelische Ökumene», eine katholische Mission habe sie sozusagen
als Kontrastbeispiel in die Porträts aufgenommen.
Eigene blinde
Flecken entdeckt
Hoffmann hat in den Gesprächen einige spezielle Erfahrungen gemacht. «Eine
davon war, dass ich überall
sofort willkommen geheissen wurde. Sowohl in den Gottesdiensten als auch für
Gespräche.» Obwohl ihr die Frömmigkeitsstile oft fremd gewesen seien, habe sie
diese anders erlebt, wenn sie in eine Beziehung mit den beteiligten Menschen
kam. «Ich entdeckte auch in mir Neues. Zum Beispiel, dass mir sowohl
Lobpreisgesänge wie auch meditative Lieder gefallen, auch wenn sie lange
dauern. Ich entdeckte auch blinde Flecken in mir. Die Arbeit war für mich ein
Spiegel und ein Fenster gleichzeitig», so Hoffmann.
Vier
Partnerschaftsmodelle
In ihrem Buch
unterscheidet Hoffmann vier unterschiedliche Partnerschaftsmodelle: Das
Vermietungsmodell, das Kooperationsmodell, ein Integrationsmodell und ein
Partnerschaftsmodell, je nach Intensität der aufgebauten Beziehung. Alle vier hätten ihre
Berechtigung und seien wertvoll, manche wie das Vermietungsmodell, bei dem die
einheimische Kirche den Migranten einfach einen Raum vermietet, seien
niederschwelliger, andere erforderten mehr Engagement.
Ihr Fazit: «Wichtig ist,
dass beide Seiten voneinander wissen, was sie tun, und wie sie es tun wollen.»
Es gebe auch Migrationskirchen, die sich ganz an ihrer Weltkirche orientieren
und keine Partnerschaft mit einer schweizerischen Kirche suchten. Räume seien
aber oft sehr gesucht und dann sei eben ein Vermietungsmodell sinnvoll.
Wertvoll für beide Seiten seien Einblicke, wie der Glaube in der anderen Kirche
gelebt wird.
Können Migrationskirchen unsere Kirchen beleben?
Hoffmann betont, «dass
wir voneinander lernen können». Und sie hat dazu entsprechende Lernfelder beschrieben.
Zum ersten: Die spirituelle Vitalität, die Art, wie mit Gebet und Heilungen
umgegangen wird. Das andere Lernfeld sei die
Mission. «Vor allem landeskirchliche Gemeinden scheuen sich, über
Mission nachzudenken, geschweige denn darüber zu reden, weil es schambesetzt
ist.» Ganz anders in den Freikirchen und in vielen Migrationskirchen, wo
Mission sehr offensiv gelebt werde.
Migrationskirchen könnten jedoch unser
ökumenisches Zusammenleben fördern. «Es ist eine Chance aufgrund so vieler verschiedener
örtlicher Kirchen, die Ökumene neu zu denken.» Sie warnt jedoch: «Es wäre ein
Fehler zu hoffen, dass wir dank Migrationskirchen unsere reformierten
Kirchenbänke wieder füllen könnten.» Gerade pfingstliche Migrationskirchen seien
zu weit vom reformierten Gottesdienst und Gemeindeleben entfernt.
Claudia Hoffmann, Dr. theol., (*1977), ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im SNF-Forschungsprojekt
«Conviviality in Motion» im Bereich Praktische Theologie an der Theologischen
Fakultät der Universität Basel. Sie war von 2012-2020 Assistentin im Fachbereich Aussereuropäisches
Christentum an der Theologischen Fakultät in Basel, war Pfarrerin in der
Kirchgemeinde Zürich-Albisrieden von 2008-2011 und lebt mit ihrer Familie in
Basel.
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