Dass das Bundesgericht das Verbot des Kopftuchs an einer Schule aufgehoben hat, befeuert die Emotionen. Besonders weil fast gleichzeitig der Fall einer Schule in Gossau Schlagzeilen macht. Dort geht es um das Tragen von Edelweisshemden. Eine Lehrerin hatte kurzzeitig ein paar Schülern verboten, das patriotische Hemd zu tragen. Die Schulleitung hob das Verbot wieder auf.
«Der Mensch sieht, was vor Augen ist», wusste schon der Prophet Samuel. Das Kopftuch ist eine Provokation für viele, denen muslimische Symbole ganz allgemein ein Ärgernis sind, weil der Islamismus und muslimische Attentäter die geistige Atmosphäre in der «freien Welt» vergiften. Viele, die eine Kopftuch-tragende Frau sehen, denken bereits an Dschihadisten und Selbstmordbomber.
Der Konflikt der Kulturen
Das Kopftuch ist nach dem Minarett ein Symbol, an dem man seine Abneigung gegenüber dem Islam demonstrieren kann. Das Minarett hat für eine Volksabstimmung gesorgt. Gerichte tagen zum Thema Kopftuch. Doch die Diskussion darüber, wie sich Muslime in unseren Ländern integrieren können und sollen, geht dabei unter.
Müsste nicht vielmehr diskutiert werden, welche Schritte der Integration von Menschen aus andern Kulturen hier erwartet werden – und dass Europa inklusive Schweiz die Akzeptanz von Demokratie, Rechtsstaat und Grundrechten von Menschen erwartet, die hier Schutz und Existenz suchen? Das darf nicht bedeuten, dass jeder Ausdruck der Kultur von Migranten verboten wird. Aber Europa darf und muss darauf bestehen, dass sie seine wichtigsten Werte akzeptieren. Das heisst aber auch, dass diese den eingewanderten Menschen erklärt und ihnen gegenüber mit Überzeugung vertreten werden.
Nicht nur von Integration reden
Eine europäische Grundidee ist die Toleranz auch gegenüber Andersdenkenden. Die Geschichte hat aber gezeigt, dass das Nebeneinander von Kulturen, die allzu unterschiedlich sind, langfristig zu fast unüberwindlichen Problemen führt. Noch fehlt aber weithin die Einsicht, dass die Überwindung dieser Gräben nicht nur an Äusserlichkeiten festzumachen sind, sondern viel tiefer gehen müssen. Und dass es legitim ist, Integrationsschritte auch einzufordern. Und dass Behörden und Schulen Äusserungen unserer Kultur nicht einfach unterlassen sollten, nur weil sie die Anderen stören könnten.
Umgekehrt sollten gerade die Christen bedenken, dass das Bekämpfen von muslimischen Symbolen und Sitten auch auf sie selbst zurückschlagen kann, wie ein NZZ-Kommentar deutlich macht. Es ist besser, nicht mit den Wölfen zu heulen.
Die überforderte Schulleitung
Hintergrund des Streites an der Gossauer Schule ist laut Medienberichten ein Streit zwischen Schweizer- und Balkan-Jugendlichen. Darauf hätten die Schweizer mit dem Schwingerhemd gekontert. Als die Situation zu eskalieren drohte, verbot die Lehrerin das Tragen der Edelweisshemden. Anschliessend hat sich die Schulleitung vom Hemdenverbot distanziert. Schulleiter
Patrick Perenzin sagte gestern in der «SonntagsZeitung»: «Die Lehrerin hat selbst eingesehen, dass sie überreagiert
hat.» Perenzin hält fest, dass es an seiner Schule kein Verbot von Edelweisshemden gebe.
Hier stellt sich die Frage, ob die Schule nicht früher hätte eingreifen müssen. Jedenfalls muss sie sich jetzt überlegen, wie sie die Integration der Balkan-Jugendlichen voranbringen und daran auch die Schweizer beteiligen kann. Es wäre zu kurzsichtig, einen solchen Vorfall lediglich als Gezänk von Halbwüchsigen abzutun. Peinlich, dass erst der öffentliche Protest die Schule bewog, das Verbot des Schweizer Nationalhemds zurückzunehmen. Kennt sie keine besseren Konfliktlösungs-Szenarien?
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