Der Ständerat hat sich deutlich für die Stiefkindadoption in Frauen- oder Männerpaaren entschieden. Der Bundesrat ist ebenfalls dafür und im Nationalrat stehen die Chancen auch gut. Dient das dem Kindeswohl oder den Interessen der Erwachsenen?
Die Familienpolitik des Bundes hat sich darauf verständigt, bei allen Reformen das Wohl der Kinder in den Vordergrund zu stellen. Ob dieses durch die Stiefkindadoption verbessert wird, ist umstritten und muss zur Zeit offen bleiben. Weshalb eilt es trotzdem so mit der Revision?
Wenig durchdachte Revision
Erstaunlich deutlich hat sich der Ständeart (in der Schlussabstimmung mit 32:7 Stimmen) für die Stiefkindadoption durch gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen und gleichzeitig die Hürden bezüglich Dauer der Beziehung und Alter gesenkt. Und dies, obwohl die Fakten weitgehend fehlen, die eine solche Gesetzesrevision rechtfertigen. Einerseits fehlt es an verlässlichen Zahlen von Kindern, die allenfalls von der Regelung betroffen wären. Zum andern fehlen Langzeitstudien, die die Entwicklung von Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und allfällige Entwicklungsstörungen beschreiben. Vorhandene Studien sind interessengebunden. Medien betonen die praktischen Probleme von Kindern und Eltern, nicht aber die Probleme, die eine Öffnung der Adoption für eingetragene Partnerschaften bedeuten könnte. Insbesondere, wenn die Adoption den Verlust eines leiblichen Elternteils bedeutet. Ausserdem gibt es starken Widerstand aus den Reihen von Kindern in Regenbogenfamilien, zum Beispiel den offenen Brief der US-Amerikanerin Heather Barwick, die von zwei Müttern aufgezogen wurde. Sie wirft der Gesellschaft vor: «Wenn wir sagen, dass wir innerlich verletzt sind, weil wir von gleichgeschlechtlichen Eltern aufgezogen wurden, werden wir entweder ignoriert oder zum Feind erklärt.»
Der Zeitgeist als Treiber
Der Entscheid der Kleinen Kammer ist auch Frucht beharrlicher Lobbyarbeit von LGTB-Organisationen, die um Gleichstellung kämpfen, und entspricht dem Zeitgeist, der Minderheiten nicht Rechte vorbehalten will, welche die Mehrheitsgesellschaft, in diesem Fall die klassischen Familien, geniesst.
Der Appenzeller Ständerat Andrea Caroni argumentierte im Tagesgespräch von SRF1 am Dienstag auffallend oft mit dem Begriff «Freiheit» für jede Familienform. Mit dem Zeitgeist argumentiert auch Martin Della Valle, Co-Präsident des Dachverbandes für Regenbogenfamilien. Die Gesetzesrevision trage ausserdem einem grossen Bedürfnis Rechnung, da es immer mehr Kinder in dieser Situation gebe. Aber auch er macht klar, dass er in der Stiefkindadoption lediglich einen Zwischenschritt zur uneingeschränkten Adoption sieht.
Offene Fragen
Der Nationalrat, der das Gesetz noch zu beraten hat, würde gut daran tun, auch zu bedenken, welchen Einfluss die reproduktiven Techniken oder der Zugang zu Leihmüttern im Ausland auf die Gesetzesrevision hat und umgekehrt. Soll ein Kind, das von einer Leihmutter geboren worden ist, aus Rücksicht auf das Kindeswohl in Zukunft adoptiert werden dürfen? Wo wird es unglaubwürdig, vom Vorrang des Kindeswohls zu reden? Damit es Raum für diese Diskussionen gibt, wäre eigentlich ein Referendum gegen die Reform durchaus wünschenswert.
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