Alterssuizid erleichtern?

Exit-Vorstand bremst die vorpreschenden Alten

Die Vereinsleitung von Exit lässt eine Gruppe von einflussreichen Mitgliedern, die den Alterssuizid mit rezeptfreiem Todesbecher erleichtern wollen, noch etwas Geduld üben. Aus Sorge um die öffentliche Meinung.

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Werner Kriesi, Hans Wehrli, Rolf Lyssy (v.l.n.r.)
Während in Deutschland «Sterbehilfevereine» gegen das Verbot der organisierten, geschäftsmässigen Suizidhilfe ankämpfen, das Ärzteverbänden immer noch zu wenig streng ist, hat sich innerhalb des Vereins Exit in der Schweiz eine Lobby gebildet, die alten Menschen, die keinen Sinn mehr im Weiterleben sehen, obwohl sie nicht schwer krank sind, den Suizid erleichtern will. Hinter dem Anliegen stehen ehemalige Exit-Präsidenten wie Pfarrer Werner Kriesi und der Zürcher alt Stadtrat Hans Wehrli sowie Filmregisseur Rolf Lyssy. Von einem «Streit der Generationen bei Exit» sprach die Schweiz am Wochenende. Im Zürcher Volkshaus sollte es am Samstag in dieser Frage zu einem Showdown kommen.

Die Fahrt ein wenig abgebremst

Diesen hat der Vorstand nun offenbar vermieden, indem er laut eines SDA-Berichts eine Kommission zusammengestellt hat, welche die Frage prüfen soll, ob sich Exit für eine rezeptfreie Abgabe des todbringenden Cocktails einsetzen soll. Sie hat unter Beibezug von Experten und Ethikern einem Bericht aufzuzeigen, welche Massnahmen für einen erleichterten Zugang zu Natrium-Pentobarbital (NaP) für lebensmüde betagte Menschen möglich wären. Damit hat der Vorstand den Vorstoss der über 70-Jährigen vorerst aufgenommen, gewinnt aber auch Zeit. Denn er ist sich bewusst, dass die öffentliche Meinung, die gegenüber Exit mehrheitlich positiv eingestellt ist, auch kippen könnte. Es gelte zunächst, den Altersfreitod zu enttabuisieren. Gegenüber seinen auf Öffnung drängenden Mitgliedern macht er allerdings eine weitere Konzession. Er startet diesen Sommer das «Projekt Info Ärzteschaft», mit dem er den Ärzten «grundlegendes Wissen zur Suizidhilfe» vermitteln will.

Den Altersfreitod gibt es bei Exit schon

Exit hat allerdings bereits 2014 den «Altersfreitod» in seine Statuten aufgenommen. Schon heute finden laut Exit-Sprecher Jörg Wyler ein Viertel der begleiteten Suizide im Bereich Altersfreitod statt, wobei es sich um Menschen handle, die von verschiedenen Gebrechen geplagt sind, von denen aber keines unmittelbar zum Tod führt. Betroffene wünschten sich eine Vereinfachung des komplizierten Prozederes, heisst es bei Exit. Gemäss dem auf Pharmarecht spezialisierten Juristen Frank Thomas Petermann wäre eine «indikationslose Abgabe» von PaB schon heute mit einer geringfügigen Änderung des Betäubungsmittelgesetzes möglich, wie der Tages-Anzeiger schreibt.

«Bald reicht die Lebensmüdigkeit»

Auch beim Verein Exit, der viel Wert auf Seriosität legt, findet somit eine schleichende Liberalisierung statt, ohne dass diese durch Gesetze gestützt wäre. In Ländern wie Belgien und den Niederlanden, wo bereits Jugendliche ab zwölf Jahren Euthanasie verlangen können, ist sie gesetzlich geregelt. Deutschland fährt hier einen dezidiert strengeren Kurs, da die Geschichte der Euthanasie während der Nazi-Herrschaft noch nachwirkt. So sehr der Todeswunsch im Einzelfall verständlich sein kann, so dreht sich in andern Ländern eine Spirale zu immer weiterer Öffnung, ob sie nun gesetzlich abgestützt ist oder nicht. Der Tages-Anzeiger zitiert dazu den katholischen Ethiker Markus Zimmermann mit den Worten: «Bald reicht die Lebensmüdigkeit als Kriterium».

Zum Thema:
1'000 Mal Exit: Gutes Leben – gutes Sterben
Weniger Fälle: Trendwende bei der Suizidhilfe?
Alternative zur Suizidhilfe: Spiritual Care an der Uni Zürich rückt näher
Politlunch zur Palliative Care: Leben vor dem Sterben – es gibt noch viel zu tun

Datum: 19.06.2017
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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