Ahmed Shaheed ist UN-Sonderberichterstatter
zur Religions- und Glaubensfreiheit. In dieser Funktion veröffentlicht er
regelmässig Einschätzungen, wie es weltweit um die Freiheit steht, seinen
Glauben auszuüben und zu wechseln.
Ahmed Shaheed (Bild: Facebook)
Wie steht es eigentlich um die
Religionsfreiheit? «Viel zu gut», behaupten manche, «radikalen Islamisten zum
Beispiel müsste man früher das Handwerk legen und sie ausweisen können.» Andere
stellen fest: «Noch nie wurden so viele Menschen – gerade auch Christen –
aufgrund ihrer Religion verfolgt. Wir brauchen mehr Religionsfreiheit.»
Ahmed Shaheed (56)
kennt Argumente wie diese. Er versucht immer wieder, Zahlen, Informationen und
ganz persönliche Einblicke zu bekommen, um sein Amt als
UN-Sonderberichterstatter zur Religions- und Glaubensfreiheit ausführen zu
können. Der Diplomat und ehemalige Aussenminister der Malediven hat dabei die
ganze Welt im Blick.
Gleichzeitig kennt er das Thema auch aus persönlicher
Anschauung: Sechs Jahre lang war er als Menschenrechtsbeobachter im Iran. Und
in seiner Heimat wird er wegen seines Einsatzes für Demokratie und
Menschenrechte als «Abtrünniger vom Islam» bezeichnet.
«Es wird schlimmer»
Das Pew-Forschungszentrum in den
USA stellte in seinem aktuellen Bericht fest, dass weltweit die Einschränkungen von Gläubigen zunehmen. Inzwischen 28
Prozent aller Nationen (also 56 Staaten) würden die Religionsausübung besonders
von Minderheiten massiv beschneiden. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam der letzte Weltverfolgungsindex von «Open Doors», der sich auf verfolgte Christen fokussiert. Darüber hinaus
skizzierte Shaheed in einem Gespräch mit Jayson Casper von «Christianity Today» weitere Details der letzten Monate.
Auswirkungen der Pandemie
Natürlich hat die andauernde
Covid-19-Pandemie Auswirkungen auf jeden Lebensbereich – aber eben auch auf die
Religionsfreiheit, wie Shaheed bemerkt. Er sieht vor allem drei Auswirkungen:
Erstens wurden stellenweise die Begräbnisriten bei Menschen, die an oder mit
dem Virus gestorben sind, ignoriert. Zweitens wurden Juden, Christen oder
Muslime, wo sie in der Minderheit sind, als Sündenböcke für die Pandemie
angegriffen – stellenweise erhielten sie deswegen keinen Zugang zu
Gesundheitseinrichtungen. Drittens ist im Zuge der Pandemie weltweit ein
Ansteigen des Antisemitismus zu beobachten.
Von der Empfehlung zur Ächtung
Shaheed beschreibt weiter, dass
der Einfluss der Menschenrechtsarbeit der Vereinten Nationen wächst. Er selbst ist kein direkter UN-Mitarbeiter,
sondern unabhängiger Mandatsträger. Er besucht verschiedene Nationen – wenn sie
ihn einladen. Er reagiert auf Bitten und Anklagen, indem er
Handlungsempfehlungen ausspricht. Doch ein völlig «zahnloser Tiger» ist er
dennoch nicht. Unter der Trump-Regierung gründeten die USA die «International
Alliance for Religious Freedom and Belief» (Internationale Vereinigung für
Religionsfreiheit und Glauben) mit bisher 30 Mitgliedsnationen. Und so manche
Kritik wird anders aufgenommen, wenn Staaten wie die USA dahinterstehen.
Ethische Streitfragen
Im Interview lobt Shaheed die
Zusammenarbeit mit der Weltweiten Evangelischen Allianz, die er als
konstruktiv und hingegeben bezeichnet. Er sei auf solche Partner angewiesen,
unterstreicht er, denn «ich bin nur eine Ein-Mann-Unternehmung (…) und sie werten
meine Arbeit auf und erhöhen die Reichweite».
Dabei macht er deutlich, dass er
gegen jegliche Unterdrückung ist: Fragen wie die der Frauenrechte, der
Abtreibung oder einer Ehe für alle werden kontrovers diskutiert – innerhalb von
Religionsgemeinschaften und darüber hinaus. Sie dürfen nach Shaheeds
Dafürhalten allerdings nie ein Alibi zur Ausgrenzung von Minderheiten werden.
«Ein Tropfen auf den heissen
Stein»
Gerade in islamischen Ländern
sieht der UN-Sonderberichterstatter eine deutliche Entwicklung. In vielen
Regionen gab es in den letzten Jahren Konferenzen, Besprechungen und
Absichtserklärungen, die deutliche Veränderungen zum Ziel hatten. Die meisten
haben aber noch keine gesetzlichen Änderungen bewirkt. Zu dieser Umsetzung benötigen
viele nicht nur Zeit, sondern auch konkrete Hilfe.
Als Fazit seiner inzwischen
vierjährigen Arbeit stellt Ahmed Shaheen fest: «Es gibt keine schnellen
Lösungen.» Aber aus seinem Mund klingt das bekannte Statement, dass die
bisherigen Aktionen wie ein Tropfen auf den heissen Stein waren, sogar nach
Hoffnung.
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