Tunesischer Aufschrei

Evangelische, katholische und orthodoxe Christen schliessen sich zusammen

Tunesien als Mutter des Arabischen Frühlings darf nicht zu einer schlimmeren Diktatur verkommen, als es die Herrschaft des gestürzten und verjagten Machthabers Ben Ali gewesen war. Das fordern Menschen in Tunesien unüberhörbar. Auch die christlichen Kirchen melden sich zu Wort.

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Demonstranten in Tunis
Auf Tunesiens Straßen spielen sich Szenen ab, die an Ägypten in den letzten zwei Wochen erinnern: Demonstrationszüge die «Weg mit dem Islamistenregime» fordern, Angriffe auf Lokale der tunesischen Muslimbrüder- und Regierungspartei «Islamische Wiedergeburt» (An-Nahda), Schlachten der Randalierer mit der Polizei, ein erster Protest von Richtern, Anwälten und Universitätsprofessoren, denen am Wochenende ein Generalstreik im ganzen Land von Tunis bis zur südlichen Insel Djerba gefolgt ist.

Auslöser für das Aufflammen dieses bisher fast nur schweigenden Widerstands gegen die Ummünzung der tunesischen «Jasmin-Revolution» von 2011 in totale Islamisierung war die Ermordung des Oppositionspolitikers Schukri Belaid. Dieser hatte am lautesten von allen demokratisch Gesinnten den Kurs von Nahda-Ministerpräsident Hamadi Jebali zurück ins islamische Mittelalter angeprangert. Tunesien als Mutter des Arabischen Frühlings, der dort schon Ende 2010 mit der Selbstverbrennung eines jungen Arbeitslosen begonnen hatte, dürfe nicht zu einer noch schlimmeren Diktatur verkommen, als es die Herrschaft des gestürzten und verjagten Machthabers Ben Ali gewesen war. Der 48-jährige Familienvater Belaid hatte vor dem Beispiel der Entwicklung in Ägypten gewarnt, ehe ihn die tödlichen Kugeln trafen.

Viel mehr Frauen auf der Strasse

Noch sieht die Lage in Tunesien aber nicht so ausweglos aus wie am Nil. Wie sich jetzt bei den Kundgebungen und Protesten zeigt, gehen in Tunis, Hammamet, Sussa und Sfax viel mehr Frauen als in Ägypten auf die Strasse. Zu dieser stark feministischen Komponente aus dem Gross- und Kleinbürgertum kommt eine gut organisierte Arbeiterschaft mit ihren politischen Interessenvertretungen.

«Jesus lebt» – das Motto der Kirchen

Angesichts der immerhin kritischen Situation bemühen sich Tunesiens Christen um mehr Zusammenhalt. Unter dem Motto «Jesus lebt!» schliessen sich Evangelische, Katholiken und Orthodoxe zusammen. Auf Initiative des griechisch-orthodoxen Metropoliten von «Karthagene» (Tunesien und Libyen), Alexios Leontaritis, trafen sich in Tunis am Wochenende Vertreter der «Eglise Reformée de Tunisie», der römischen Katholiken, orthodoxen Russen und der koptischen Diaspora. Sie beschlossen, dem verstärkten islamistischen Druck durch christliche Geschwisterlichkeit untereinander und ein gemeinsames Zeugnis für Jesus Christus nach aussen zu begegnen. Gleichzeitig richteten sie einen Aufruf um Beistand an die Botschaften der EU-Länder und des orthodoxen Osteuropas in Tunesien. Als erster Staat hat Russland sofort seine Hilfe zugesichert – die EU schweigt sich aus…

Zum Thema:
Sorge über geplantes Blasphemie-Gesetz in Tunesien
Kirche in Tunesien und Algerien wächst

Datum: 11.02.2013
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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