Italien

Urteil gegen Kruzifixe in Klassenzimmern

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat gegen Kruzifixe in italienischen Klassenzimmern entschieden. Die Strassburger Richter gaben am 3. November einer Klägerin Recht, die sich in Italien vergeblich gegen die Kreuze an öffentlichen Schulen gewandt hatte. Der Staatsrat, das oberste italienische Verwaltungsgericht, hatte 2006 entschieden, das Kreuz sei zu einem Symbol für die Werte Italiens geworden. Dort wurde die Klage der Italienerin abgewiesen.

Der Menschenrechtsgerichtshof entschied dagegen einstimmig für die Klägerin, die Mutter zweier schulpflichtiger Kinder ist. Die Richter erklärten, die Kruzifixe seien eindeutig ein religiöses Symbol. Dies könne für Kinder, die anderen oder keiner Religion angehörten, verstörend wirken. Das Recht, an keine Religion zu glauben, gehöre zur Religionsfreiheit. Der Staat müsse dieses Recht besonders schützen.

Kann nicht dem Pluralismus dienen

Besonders in Bildung und Erziehung müsse der Staat auf die konfessionelle Neutralität achten, erläuterten die Richter. Ein Kruzifix als Zeichen für den Katholizismus, die italienische Mehrheitsreligion, könne nicht dem Pluralismus in der Erziehung dienen. Damit werde das Recht der Eltern eingeschränkt, ihre Kinder gemäss ihren Überzeugungen zu erziehen. Auch das Recht der Kinder, zu glauben oder nicht zu glauben, werde dadurch verletzt.

Italien hatte dagegen darauf hingewiesen, die katholische Religion sei die einzige, die in der Verfassung genannt werde. Dadurch sei das Kreuz ein Symbol auch des italienischen Staates. Die Kruzifixe in den Schulen seien nach Erlassen von 1924 und 1928 aufgehängt worden.

Politiker kritisieren Urteil

Italienische Politiker reagierten auf das Kruzifix-Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs überwiegend kritisch. Bildungsministerin Mariastella Gelmini nannte das Kreuz einen festen Bestandteil der italienischen Kultur. "Seine Präsenz in den Schulen zu verteidigen, heisst, unsere Tradition zu verteidigen", sagte die Politikerin des Mitte-Rechts-Regierungsbündnisses.

Gleichstellungsministerin Mara Carfagna forderte die Regierung zum Widerspruch gegen das Strassburger Urteil auf. Das Prinzip der Gleichberechtigung auch unter Religionen dürfe nicht dazu führen, die eigenen Wurzeln und die eigene Identität zu verneinen. Die "wahren Beschränkungen der individuellen Freiheit" lägen hingegen im islamischen Gesichtsschleier, sagte die Ministerin. "Ich erwarte, dass sich der Europäische Gerichtshof dazu ebenso klar und deutlich erklärt", sagte Carfagna.

«Schlechtestmöglicher Präzedenzfall»

Aussenminister Franco Frattini kommentierte den Richterspruch als "schlechtestmöglichen Präzedenzfall für andere Religionen". Gerade in einem Augenblick, da die italienische Regierung um ein gutes Auskommen der verschiedenen Glaubensrichtungen bemüht sei, erhalte das Christentum einen "Hieb". Frattini hatte in den vergangenen Tagen die Arabischen Emirate besucht und hält sich derzeit in Tunesien auf.

Der Chef der christdemokratischen UDC, Pier Ferdinando Casini, nannte das Urteil "die erste Konsequenz der Ängstlichkeit der europäischen Regierenden, die sich geweigert haben, die christlichen Wurzeln in der Europäischen Verfassung zu erwähnen". Das Kreuz in den Klassenzimmern stelle ein "ziviles Erbe aller Italiener" dar, weil es für eine christliche Identität des Landes wie auch Europas stehe, so Casini.

 

Datum: 05.11.2009
Quelle: Kipa

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