Gegen eine «Götzenfabrik»

Was Christen von Atheisten lernen können

Sie sind Bestsellerautoren mit starker Medienpräsenz: Die «neuen Atheisten» Richard Dawkins, Christopher Hitchens und Sam Harris fordern den Abschied von der Religion.

Gott gibt es nicht, so ihre These. Falls es ihn doch gibt, ist er völlig bedeutungslos - die Beschäftigung mit ihm lohnt sich nicht.

Ein evangelischer Theologe hat dieser Bewegung nun eine eigene Studie entgegengestellt. Heinzpeter Hempelmann, Theologischer Referent im Zentrum für Mission in der Region der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), stellt dabei erstaunliche Übereinstimmungen zwischen den «neuen Atheisten» und der christlichen Botschaft fest.

Machtmissbrauch bekämpfen

Der atheistischen Kritik, dass Religion immer wieder als Machtinstrument genutzt und für menschliche Ziele und Zwecke instrumentalisiert wird, schliesst sich Hempelmann an. Er erinnert an den fürchterlichen Dreissigjährigen Krieg (1618-1648), bei dem sich die Konfessionen bis aufs Blut bekämpften und der ein Drittel der deutschen Bevölkerung infolge von Schlachten, Hunger und Pest das Leben kostete. Auch die aktuell aufgedeckten Fälle sexuellen Missbrauchs, bei denen kirchliche Amtsträger ihre Machtposition ausgenutzt haben, zählt er dazu.

Hempelmann erinnert an die biblisch geforderte Demut, die den Menschen vor eigener Überschätzung, Selbstgewissheit, Machtmissbrauch und einer Überbewertung seines Wissens schützen will. Der neutestamentliche Auftrag, alles zu prüfen, bedeutet eine Distanzierung von selbst ernannten Propheten, von denen es auch in der Kirchengeschichte einige gegeben hat. Schon der Reformator Johannes Calvin (1509-1564) habe das menschliche Herz eine «Götzenfabrik» genannt - davon seien christliche Herzen nicht ausgeschlossen.

«Die richtige Religion»

Gleichzeitig bezweifelt Hempelmann, dass die Religion die Ursache dieser Verirrungen ist. Das tiefste Problem bestehe nicht darin, dass es Religion gebe, sondern dass es den Machtmenschen gebe, der sich ständig religiös verhält.

Um den menschlichen Willen zur «Selbstvergottung» zu zähmen, reicht nach Hempelmanns Überzeugung eine atheistische Weltsicht nicht aus - das hätten die atheistischen Systeme des 20. Jahrhunderts deutlich gezeigt. Dazu brauche es vielmehr Religion, «aber die richtige». Die Eindämmung menschlicher Selbstverherrlichung sieht Hempelmann in der christlichen Botschaft am ehesten verwirklicht, auch wenn Missbrauch nicht ausgeschlossen werden kann.

Falsch oder richtig

Den evangelischen Theologen begeistert an den «neuen Atheisten», dass sie leidenschaftlich um die Wahrheit streiten. In einer Zeit des Relativismus, der absolute Wahrheiten nicht für möglich hält, treten hier Religionskritiker auf, die gerade nicht verschiedene «Wahrheiten» nebeneinander stehenlassen wollen, sondern zwischen falsch und richtig unterscheiden.

Was Hempelmann dagegen nervt, ist die Wissenschaftsgläubigkeit der «neuen Atheisten». Dabei nimmt er insbesondere die religionskritische Giordano-Bruno-Stiftung ins Visier, die nach eigenen Angaben 2400 Unterstützer in 30 Ländern hat und deren redegewandter Pressesprecher Michael Schmidt-Salomon in kürzester Zeit Fernsehbildschirme und Zeitungsspalten erobert hat.

Die Stiftung stelle Religion als hinterwäldlerisch, dumm und fortschrittsfeindlich dar, so Hempelmann. Dies schade der atheistischen Bewegung eher, findet der Theologe. Denn die gegenteiligen Wirkungen von Religion - bildungsfördernd, befreiend, emanzipatorisch - würden übersehen.

Mensch ist mehr

Hempelmann wundert sich über die Wissenschaftsgläubigkeit der «neuen Atheisten». Naturwissenschaft sei eine bewusste Reduktion komplexer Phänomene auf das Einfache, Messbare, Zählbare. So analysiere ein Chemiker, dass der menschliche Körper zu über 80 Prozent aus Wasser besteht - doch diese Beobachtung sage über das Eigentliche des Menschen nicht viel aus.

Deswegen scheint es Hempelmann methodisch unsauber, sein Weltbild von naturwissenschaftlichen Ergebnissen bestimmen zu lassen und sie gar als Argumente gegen die Religion zu verwenden. Hier sei die Religionskritik zu dünn und bringe den Diskurs nicht weiter. «Schlechte Christentumskritik ist schlecht für das Christentum», resümiert er.

Buchhinweis:

«Der neue Atheismus und was Christen von ihm lernen können»
Heinzpeter Hempelmann
ISBN-10:3-7655-1463-2
EAN:9783765514630
Verlag:Brunnen-Verlag GmbH


Quelle: epd/Brunnen-Verlag

Glaubensfragen & Lebenshilfe

Diese Artikel könnten Sie interessieren

Roland Bühlmann
Als empfindsamer Autist Progressiv-Rock machen, geht das? Roland Bühlmann hat eine leichte autistische Störung, die ihn im Alltag etwas...
Talk-Reihe zu «The Chosen»
Wie sah es aus, in jener Zeit, in welcher Jesus seine Jünger berufen hat? Dieser Frage geht Jesus.ch in einer Serie über «The Chosen» nach. Den...
Andi Weiss
«Ich mache Musik für Menschen, die sich im Leben schon eine blutige Nase geholt haben», sagte der Sänger, Komponist und Buchautor einst. Dieser...
Tamera Mowry-Housley
Tamera Mowry-Housley, bekannt aus «Sister, Sister» sagt: «Ich versuche nicht, so zu sein, wie ich nicht bin. Wenn man seine Identität verloren hat,...

Anzeige