Sehnsucht nach Reinheit

Zuerst duschen und dann beten

Aufgrund widriger Lebensumstände landen viele Frauen unfreiwillig im Sexgewerbe. Dort fällt es ihnen oft schwer, ihren Glauben an Gott zu leben. Der Verein bLOVEd bringt gerade diesen Frauen Anteilnahme, Liebe und Würde.

Ein gläubiger Christ fuhr regelmässig über eine Strasse, wo Prostituierte sich anboten. Irgendwann fragte er sich: «Wollen wir da wirklich einfach wegschauen?» Ein Vortrag von Heartwings, die in Zürich eine Arbeit im Rotlichtmilieu pflegen, inspirierte ihn. Bald schon machte er mit einer Gruppe Christen die ersten Einsätze in Luzern. Am 22. Juli 2013 gründeten fünf Personen den Verein bLOVEd. Die Arbeit nahm Gestalt an.

Anderer Ort, andere Zeit

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Christina Wüthrich
Für die Bernerin Christina Wüthrich war Prostitution und Menschenhandel schon seit Kindheit ein Thema. Bei Christina zu Hause wurde oft über Patenschaften für Kinder gesprochen, damit diese in Kinderheimen Schutz finden konnten. Auf diese Weise würden viele vor Menschenhandel und Prostitution bewahrt. Das Schicksal der Waisenkinder machte sie betroffen und in der Folgezeit kam sie öfters in Berührung mit der Thematik.

Es ist erstaunlich, wie oft man mit Themen wie «Prostitution» und «Menschenhandel» in Berührung kommt, wenn die Augen erst einmal dafür geöffnet sind. Christinas Anteilnahme für die betroffenen Frauen wuchs immer mehr, obwohl sie bisher wenig direkte Berührungspunkte mit ihnen hatte. 2013 zog sie nach Luzern, um «Soziale Arbeit» zu studieren.

Ergreife die Chance – jetzt gleich!

Eines Tages rief eine Freundin an. Sie klang begeistert und erzählte von der Arbeit von bLOVEd, von der sie soeben erfahren habe. Natürlich hatte sie Christinas Aufmerksamkeit sofort geweckt. «Diese Leute machen Einsätze im Rotlichtmilieu. Der nächste Einsatz wird sogleich stattfinden. Du kannst mitgehen, ich habe dich bereits angemeldet. Der Einsatz startet in einer halben Stunde.»

Das kam aber plötzlich! Christinas Interesse war aber derart hoch, dass sie sich den Treffpunkt angeben liess und sich auf den Weg machte. Es war eine Chance, ihrer inneren Anteilnahme endlich Taten folgen zu lassen und den betroffenen Frauen zu begegnen.

Christina blieb dabei. Im Herbst 2016 übernahm sie die operative Leitung der Arbeit im Rotlichtmilieu von Luzern. Inzwischen ist sie mit 20% vom Verein angestellt.

Einsätze im Rotlichtmilieu

Heute macht bLOVEd kaum mehr Einsätze auf dem Strassenstrich, vielmehr aber in den Bordellen, wo die Teams Prostituierte aufsuchen. Die Frauen sollen spüren: «Ihr seid wertvoll, ihr seid geliebt und ihr seid einzigartig!» Dafür steht bLOVEd. Die Teammitglieder klopfen an die Tür, überreichen ein Geschenk und fragen sie nach ihrem Ergehen.

«Für die Frauen sind unsere Besuche oft ungewohnt. Sie wissen nicht, was zu tun ist, wenn kein Mann vor der Tür steht», erzählt Christina. «Es braucht Zeit, bis sie Vertrauen fassen und sich auf ein persönliches Gespräch einlassen.» Es kann auch vorkommen, dass jemand sagt: «Bei mir ist alles ok!» und die Türe wieder schliesst. Das muss dann akzeptiert werden. Viele berichten aber von ihren Problemen, körperlichen Schmerzen, Angst um Angehörige und vielem mehr. Sie sind froh, dass jemand da ist, der an ihrem Leben Anteil nimmt, jemand der sich nicht nur für ihren Körper, sondern für sie als Person interessiert.

Weisse Rosen

Einmal hatte Christina die Idee, in einem Floristengeschäft vorbeizugehen und nach übrig gebliebenen Blumen zu fragen, welche die bLOVEd-Teams dann bei einem Einsatz verschenken konnten. Die Verkäuferin reagierte äusserst positiv. Sie war froh, einen sozialen Beitrag leisten zu können. «Wie viele brauchen Sie denn?» Gerne nahm Christina 20 Rosen entgegen – rote und weisse. Dann klopften sie mit den Rosen bei den Prostituierten an: «Welche Farbe hättest du gerne?» Alle entschieden sich für weiss. Der Grund war sehr einfach: «Weiss symbolisiert Reinheit.» Und genau danach sehnen sich diese Frauen.

Gequält von Scham und mangelnder Würde

Die meisten Prostituierten sind religiös. Wenn ein Mitglied von bLOVEd fragt: «Darf ich für dich beten?» lautet die Antwort meist: «Gerne. Aber nicht hier. Das ist kein reiner Ort.» Verschiedene Prostituierte erzählten, sie würden zu Hause beten – aber erst nach dem Duschen. Vorher fühlen sie sich zu unrein.

«Für diese Frauen ist es wichtig zu erfahren, dass sie als Person wertvoll sind – egal, was in ihrem Leben alles schief gelaufen ist.» Für Christina ist auch wichtig, in den Prostituierten mehr zu sehen als Opfer widriger Lebensumstände. Vielmehr will sie ihnen Hoffnung schenken und aufzeigen, dass es Möglichkeiten für Veränderung gibt. Eine dieser Frauen hat erst vor kurzem tiefgreifende Veränderung erfahren. Sie hatte Jesus in ihr Leben aufgenommen. Strahlend platzte sie heraus: «Ich fühle mich rein!» Für sie hatte gerade ein neues Leben begonnen.

Ein Engagement für «unreine» Frauen

Unermüdlich setzen sich Christina und ihre Mitstreiter von bLOVEd für Prostituierte ein. «Wie geht es deinem Herz?» fragen sie oft und blicken in Augen von Frauen, die sich wertgeschätzt fühlen, dass jemand an ihrem Leben Anteil nimmt.

Neben den Einsätzen und dem Begleiten der Prostituierten fallen viele administrative Arbeiten an. Auch die Öffentlichkeit soll von der Not der Frauen erfahren, die normalerweise alles andere als freiwillig im Sexgewerbe tätig sind. So hält Christina überall Vorträge, wo sie offene Ohren findet. «Es ist mir ein besonderes Herzensanliegen, dass Christen die Not dieser Frauen wahrnehmen.»

Zum Thema:
Gefangen im Rotlichtmilieu: Die Gesichter hinter der Prostitution
«Ich bin unbezahlbar»: Junge Niederländer fordern Ende der Prostitution
10 Jahre «Heartwings»: «Sexkauf ist kein Menschenrecht»

Datum: 29.05.2019
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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