Bundesrat Blocher streicht Asylanten die Nothilfe, wenn sie sich illegal in der Schweiz aufhalten. Pastorensohn Blocher begründete in einem Interview mit dem „Blick“ seine Haltung mit der christlichen Botschaft: «Es steht auch in der Bibel: Wer nicht arbeitet, soll nicht essen.»
Dieser Satz findet sich tatsächlich in der Bibel, schreibt Frank A. Meyer in einem Kommentar dazu: „Nun kommen aber die Asylanten in unser Land, um hier zu arbeiten. Wir nennen sie deshalb auch Wirtschaftsflüchtlinge und weisen sie als unechte Flüchtlinge zurück. In der Zeit, in der sie bei uns weilen, dürfen sie nicht arbeiten. Blocher entzieht also Menschen die Nothilfe, die arbeiten wollen, aber nicht arbeiten dürfen, so Meyer weiter. „Klingt da die Begründung: „Wer nicht arbeitet, soll nicht essen“ nicht zynisch, fragt Mayer weiter.
Bundesrat Christoph Blocher kreuzt die Klinge auch mit einem Pfarrer, der illegal anwesende Ausländer in seiner Kirche beherbergt. Wie aber soll man mit den Illegalen umgehen? Wir warfen diese Fragen in die E-Runde. Gemeint ist damit die evangelische Elefantenrunde, bestehend aus den beiden Parteisekretären der EDU und EVP sowie je einem ihrer Nationalräte. Joel Blunier (Parteisekretär EVP), Thomas Feuz (Parteisekretär EDU), Markus Wäfler (Nationalrat EDU) und Walter Donzé (EVP) sagen, wo es ihrer Meinung nach langgehen soll.
Welche Politik vertritt Ihre Partei gegenüber illegal anwesenden Ausländern? Markus Wäfler: Das ist ein untragbarer Zustand. Wir haben zu lange mit largen Asylvorschriften gearbeitet. «Sans papier» gibt es nicht, sondern illegale Einwanderer, die ihre Identität verbergen. Man muss ihnen ein Ultimatum stellen, damit sie preisgeben, woher sie kommen. Echte Flüchtlinge haben keinen Grund, ihre Identität zu verheimlichen. Wenn wir das nicht tun, sind wir unfair gegenüber den echten Flüchtlingen. Sonst sind wir attraktiv für Schieber- und Schlepperbanden – so, wie wir es jetzt sind. Und das darf nicht sein.
Nothilfe nach der Verfassung, das geht in Ordnung. Aber das Verfahren, das im Ständerat beschlossen wurde, muss durchgezogen werden. Ansonsten haben wir Aufschiebeprobleme wie im Waadtland. Das ist auch für die Betroffenen keine Lösung. Es ist erstaunlich dass gerade die Befürworter von EU und Schengen/Dublin-Abkommen nun vor diesen Richtlinien zurückschrecken, die dort vorgesehen sind.
Walter Donzé: Wir müssen dem Missbrauch entgegentreten, dürfen aber die Menschenwürde nicht verletzen. Der Staat muss seine Hausaufgaben machen und nicht vor sich herschieben. Es gibt unterschiedliche «Sans papiers»: solche, die hier schwarz arbeiten, sogenannt «unkontrolliert Abgereiste» oder verschmähte, sitzengelassene Ehefrauen, die nun nicht mehr heim können. Die können nichts ihre Situation. Solche Fälle muss man für sich unter die Lupe nehmen. Ich arbeite an einer Lösung und denke, dass ich in der Sommersession einen Vorstoss machen kann. Wir müssen das angehen, wenn sie durch das Gesetz zu Papierlosen gemacht wurden. Ich kann es aber nicht gutheissen, wenn die Leute ihre Papiere einfach vor der Einreise wegwerfen.
Joel Blunier: Im Zentrum steht immer die Menschenwürde selber und nicht, wozu ein Mensch gemacht wurde, oder sein Status. Wir sollten nicht von Anfang an ablehnend sein. Grundsätzlich haben alle das Recht zu kommen. Ob sie dann bleiben können, ist eine andere Geschichte. Einem negativen Entscheid haben sie zu folgen und das Land zu verlassen. Oft können sie aber nicht zurückgeführt werden, weil ihr Land kein Interesse daran hat, sie zurückzunehmen. Denn sie bringen Geld ins Land. Asylgeld gehört zum Beispiel zu den Einkünften der Mongolei. Wir müssen schauen, dass diese Länder die Leute zurücknehmen und sie nicht auf dem Flugfeld wieder ablehnen. Wir müssen die Prüfung möglichst durchsetzen, und wer nicht bleiben kann, muss das Land verlassen.
Thomas Feuz: Die EDU als demokratische Partei setzt sich ihrem Namen gemäss auch für einen glaubwürdigen Rechtsstaat ein. Wirklich verfolgte Menschen sollen in unserem Land auch weiterhin Zuflucht finden. Wir wehren uns aber gegen den Missbrauch unseres Gastrechts. Je mehr wir den Missbrauch tolerieren, desto stärker schmälern wir die Chancen der echten Flüchtlinge.
Wie sollen Kirchen und Gemeinden mit illegal anwesenden Ausländern verfahren? Beherbergen, bekehren oder in möglichst hohem Bogen rauswerfen? Joel Blunier: Der Grundauftrag ist, alle Menschen gleich zu behandeln, egal, ob sie nun Legale oder Illegale sind. In hohem Bogen rauswerfen sicher nicht, aber auch die Kirche hat den Auftrag, das Gesetz zu halten. Es kann aber Fälle geben, in denen man das Gesetz brechen muss. Wie in der Zeit des Dritten Reiches, als man verfolgten Juden geholfen hat. Da war ziviler Ungehorsam angemessen. In der meiner eigenen Gemeinde waren mal Abgewiesene, die wollten ins nächste Land und baten um Zugbillette und Geld. Das ist nicht richtig, dass ihr illegales Tun mit Geld aus der Gemeinde unterstützt wird. Es waren Wirtschaftsflüchtlinge, und bei einer Rückkehr in ihr Land wäre ihnen nichts passiert. Jemand anderes war bei uns, der in Georgien eine christliche Zeitschrift herausgegeben hat, und das konnte er auch belegen. Er wurde abgewiesen. Ihm haben wir geholfen, denn er wäre daheim verfolgt worden. In Deutschland hat man das dann auch anerkannt und ihm dort Asyl gewährt.
Walter Donzé: Alle drei Begriffe passen nicht. Beherbergen: Ein Kirchenasyl gibt es nur, wenn der Staat Menschenwürde verletzt. Schliesslich haben wir ja die Asylgesetzgebung. Was uns noch fehlt, ist eine Handhabe für jene, die nicht staatlich verfolgt werden. Die bräuchte es aber noch. Ein Terrorist, der vom Staat verfolgt wird, kann bei uns Unterschlupf finden. Wer sich aber zum Beispiel vom Islam abkehrt und darum von der Gesellschaft verfolgt wird, den weist man ihn hier ab. Die nichtstaatliche Verfolgung anerkennen, das würde die Leute entlasten, die jetzt meinen, sie müssten sich gegen den Staat wenden und diese Verfolgten beherbergen. Kirchenasyl gibt es nur, wenn es sonst wirklich schiefgehen würde.
Bekehren: Es gibt Ausländer, die glauben, sie würden eine wirklich christliche Schweiz vorfinden. Sie sollen die Gelegenheit haben, dass sie wirklich dem Evangelium begegnen und selberentscheiden, ob sie es wollen oder nicht. Aber sie sind keine Objekte, die man beeinflussen soll.
Und zum Stichwort «rauswerfen»: Wir brauchen funktionierende Rückführungsabkommen und auch Hilfe vor Ort.
Thomas Feuz: Meinen Sie das wirklich in dieser Reihenfolge? Als Christen leben wir in zwei Systemen: nach irdischen und nach biblischen Grundregeln. Der Staat hat das letzte Wort, daher bin ich gegen das Kirchenasyl. Mit dem Kirchenasyl wird letztlich ein Missbrauch unterstützt – und auch gefördert. Nächstenliebe verpflichtet und motiviert uns zur tätigen Liebe an Mitmenschen. Letztlich aber hat auch sie sich, von meinem demokratischen Verständnis her, den Entscheiden des Staates zu fügen.
Markus Wäfler: Wir müssen sie klar als Mitmenschen behandeln mit Achtung und Respekt. Aber wir müssen ihnen auch klar machen, dass unsere Spielregeln auch für sie gelten. Kirchenasyl hat Legitimation für Leute die echt an Leib und Gesundheit gefährdet sind, aber nicht für Illegale, die ihre Identität verstecken. Gerade freikirchliche Kreise sind da zu blauäugig und lassen sich anlügen. Das erhöht die Glaubwürdigkeit der Gemeinden nicht. Und es ist unfair und unchristlich, Missbrauch zu decken. Denn dann sind diejenigen die Esel, die sich an Vorschriften halten. Aber genau das tun wir, wenn wir im humanistischen Palaver mitmachen und behaupten, als wären sie weiss ich nicht wie in Not.
Bundesrat Blocher kreuzt die Klinge mit einem Pfarrer, der Illegale beherbergte. Was sagen Sie zu diesem Duell? Walter Donzé: Im Detail habe ich mich nicht damit beschäftigt. Der Pfarrer sagt, Blocher lüge. Ich gehe davon aus, dass Blocher sich die Situation genau angeschaut hat, aber er bringt die Ideologie seiner Partei mit. Ich gehe auch davon aus, dass der Pfarrer Bescheid weiss. Es ist einfach wichtig, dass jeder Fall würdig abgeklärt wird. Ich kann indes kein illegales Vorgehen schützen. Für ein Kirchenasyl zum Beispiel muss man sehr gute Gründe haben. Im Grundsatz hat man die geltenden Gesetze zu beachten.
Ich glaube, dass es Verordnungen braucht, um Schlupflöcher zu stopfen und Rückschaffungen erfolgreich durchzuführen. An dieser Front geschieht zu wenig. Es gab Fälle, wo alles schriftlich geregelt war. Aber dann sassen die falschen Leute am Zoll. So etwas darf unsere Fleissarbeit nicht bremsen. Die Leute haben ein Recht auf Hilfe und Menschlichkeit. Wir haben aber auch unsere Rechtsstaatlichkeit. Es ist die Quadratur des Kreises.
Joel Blunier: Ich kenne den Fall nicht. Was er in diesem Zusammenhang sagt, ist mir egal. Diese Leute haben gelernt zu lügen. So sind sie in die Schweiz gekommen. Sie führen uns naive Schweizer an der Nase herum. So dass manchmal Unrecht noch fast gefördert wird. Wenn jemand im WC schlafen muss, ist es schon unsere Pflicht, als Christen zu helfen. Aber wir müssen sie auch auf den rechten Weg weisen. Jesus half immer, aber er führte sie auf den Weg zurück: «Sündige hinfort nicht mehr.»
Thomas Feuz: Aus meiner Sicht positiv ist, dass Bundesrat Blocher das Potential für die längst nötige Kehrtwende im Asylwesen hat. Andererseits zeigt dieses Beispiel, dass unsere offene Gesellschaft in diesem Bereich, speziell auch im zitierten Einzelfall, an ihre Grenzen stösst. Wenn die gesetzlichen Bestimmungen konsequent angewendet werden, werden in Zukunft solche Härtefälle zur Ausnahme werden und echte Flüchtlinge demgegenüber ein schnelleres und faireres Verfahren kriegen.
Markus Wäfler: Ich schaue das nicht als Duell an. Sondern als aufgebauschte Story. Der Justizminister hat recht, dass er darauf hinweist. Wenn eine kirchliche oder freikirchliche Organisation dahinter steckt, ist das umso bedenklicher. Wenn es stimmt, dass es sich um einen Drogendealer handelt, ist die Kritik ohnehin berechtigt. Es kann nicht sein, dass sich Christen in der Drogenrehabilitation einsetzen und andere ihnen Unterschlupf gewähren. Ich gehe davon aus, dass der Pfarrer dass nicht gewusst hat.