Am 23. Oktober 2011 werden National- und Ständerat neu gewählt. In einer Livenet-Umfrage gehen Kandidatinnen und Kandidaten auf acht Fragen ein und sagen, was sie motiviert und was sie – sollten sie (wieder) gewählt werden – in Bern verändern möchten. Heute Marianne Streiff, EVP-Nationalrätin, Bern.
Marianne Streiff
Zur Person
Name, Vorname: Streiff Marianne Partei, Kanton: EVP/BE Alter: 54 Zivilstand, Kinder: verheiratet, 3 erwachsene Kinder Wohnort: Oberwangen, Gemeinde Köniz Beruf, heutige Funktion: Ausbildung als Lehrerin, Legasthenie-Therapeutin, Christliche Beraterin IACP, Public Affairs Management. Heutige Tätigkeit: Politikerin Bisherige Ämter: Parlamentarierin Köniz 1991-1998, Grossrätin Kanton Bern 1998-2010; Gemeinderätin Köniz (Exekutive) 2004-2009 Kirchenzugehörigkeit: evangelisch-reformierte Landeskirche Hobbys: Singen, Lesen Homepage:www.marianne-streiff.ch, www.evppev.ch
Meinungen und Positionen
In welchem Sinn motiviert Sie der Glaube an Jesus Christus zum politischen Handeln?
Jesus hat uns vorgelebt, sich für Gerechtigkeit und den Nächsten einzusetzen. Und Paulus weist Titus an, was ein Nachfolger von Christus zu tun habe: «Erinnere die Christen daran, dass sie sich dem Staat und seinen Behörden unterzuordnen haben. Sie sollen die Gesetze des Staates befolgen und sich tatkräftig für das Gemeinwohl einsetzen» (Titus 3,1, Hoffnung für alle). Nicht von einem Rückzug in das friedliche Gemeindeleben ist also die Rede, sondern von tatkräftigem Einsatz. Dieser Auftrag motiviert auch mich, an meinem Platz – eben in der Politik – mein Möglichstes zu tun. Dabei geht es nicht um die eigene Ehre und den Erfolg, sondern darum, Salz und Licht in der Gesellschaft zu sein. Jesus Christus ist allerdings kein Parteiprogramm. Aber christliche Werte (www.lebenswerte.ch) sind die politische Zielrichtung, die unsere Gesellschaft nötig hat.
Welche Eigenschaften unseres Gemeinwesens, der Eidgenossenschaft, möchten Sie als Politikerin aus christlicher Überzeugung stärken?
Unsere Politik braucht viel mehr Mut und Vertrauen in die Zukunft. Die christliche Botschaft ist zukunftsgerichtet, vertrauensvoll und lebensbejahend – nicht ängstlich, verzagt und zurückblickend. Die Geschichte lehrt uns, dass Mut, Innovationen, Qualität, Fleiss, Bescheidenheit und Kooperation unser Land vorwärts gebracht haben. Ausserdem haben wir eine humanitäre Tradition, die den christlichen Werten entstammt. Viele dieser Eigenschaften sind heute in Gefahr, weil allzu oft kurzfristige Eigeninteressen im Vordergrund stehen.
Was ist zu tun, damit die Sozialwerke saniert werden können?
Die Welt und die Gesellschaft haben sich seit der Schaffung der Sozialwerke stark verändert. Heute sind mehr Menschen von den Sozialwerken abhängig, der Fortschritt und der freie Markt haben ihren Preis gefordert. Einerseits muss die Ausgabenpolitik überprüft werden, was für uns alle Verzicht bedeutet, und andererseits müssen neue Einnahmen generiert werden. Die Politik steht in der unbequemen Verantwortung, neue Rahmenbedingungen vorzugeben. So sind eine Einheitskasse bei der Krankenversicherung und die Erbschaftssteuer, wie sie die EVP vorsieht, Möglichkeiten, die Kosten zu senken und die Finanzierung zu verbessern. Das Bewusstsein für die Eigenverantwortung jedes Einzelnen muss in einem gesunden Gleichgewicht zur gelebten Solidarität mit Menschen in besonderen Lebenslagen stehen.
Was muss getan werden, damit die Schweiz einen sauberen Finanzplatz hat?
Hände weg von schmutzigem Geld, sei es aus dem In- oder Ausland. Auf «schmutzigem» Geld kann kein Segen liegen. Es braucht in der schweizerischen Finanzwelt eine Art Ethos, welches für die Banken verbindlich ist. Verstösse dagegen müssen rigoros und mit weitreichenden Konsequenzen geahndet werden. Die Schweiz kann durch die Stabilität unseres Landes genügend Sicherheit bieten, damit auch in Zukunft ausländische Gelder zu unseren Finanzinstituten fliessen.
Was muss getan werden, um die Jugend vor Süchten aller Art zu schützen (von der Internetsucht bis zum Rauschtrinken)?
Die Prävention ist der beste Schutz. Der richtige Umgang mit dem Internet und dem Alkohol ist eine Erziehungsaufgabe. Das Bewusstsein für ein aktiv gestaltetes Beziehungsleben muss von der Gesellschaft vorgelebt werden, denn Süchte werden nicht primär durch Verbote verhindert.
Was muss getan werden, damit die Stromversorgung der Schweiz sicher bleibt?
Der Atomausstieg bedingt neben der Förderung erneuerbarer Energien eine massive Senkung des Gesamtenergieverbrauchs. Das muss die allererste Priorität sein. Im Vordergrund stehen hier Effizienz und Suffizienz: Also: einerseits das Bemühen um einen möglichst geringen Energieverbrauch z.B. mit A-Klasse-Geräten und andererseits das Vermeiden jeglichen unnützen Verbrauches.
Ausserdem gilt es, die Anreize richtig zu setzen: Noch immer steigt der Gewinn der Elektrizitätswerke mit der Menge des verbrauchten Stromes. Dies sollte unbedingt geändert werden.
Was möchten Sie als Parlamentsmitglied in Bern verändern?
Als amtierende Nationalrätin weiss ich, dass es Mehrheiten braucht. Eine Einzelperson verändert nichts. Mit einer guten Gesprächskultur gilt es, Menschen von guten Zielen zu überzeugen. Die Schwierigkeit liegt nicht primär darin, dass dies nicht alle wollen, sondern darin, dass Eigeninteressen und Abhängigkeiten von vielen Politikerinnen und Politikern dies verhindert. Durch Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit und Ausdauer gilt es für mich, das Beste für unser Land zu suchen, zu finden und dafür zu arbeiten.
Wie würde Jesus, wenn er als Wanderprediger heute ins Bundeshaus käme, auftreten – und was ansprechen?
Vielleicht würde er den Tempel ausräumen – vielleicht würde er ermutigen – vielleicht würde er sein Haupt bedecken und traurig sein – vielleicht käme er gar nicht beim Sicherheitsdienst hinein – vielleicht würde er Fürbitte tun – vielleicht würde er schweigen – vielleicht würde er sich auf die Tribüne setzen und dem emsigen Handeln zusehen – vielleicht hätte er gar nicht das Bedürfnis ins Bundeshaus zu kommen, da seine Ansichten nicht gefragt sind - aber vielleicht ist er ja schon in den Herzen von Politikerinnen und Politikern und gibt ihnen aufs Herz, was sie tun oder nicht tun sollen.