In britischen Kinos

Vaterunser als «anstössig» zensiert

Mehreren britischen Kinoketten ist ein Werbespot der anglikanischen Kirche «zu anstössig», der den Zuschauern das Beten nahebringen möchte. In dem englischsprachigen Kurzfilm beten verschiedene Menschen abschnittsweise das Vaterunser. Der Theologe Andrew Wilson kommentiert die Kritiker: Eigentlich haben sie recht, denn das Vaterunser ist alles andere als zahm.

Zoom
Eine Minute lang ist der Clip des Ärgernisses. Darin sind Menschen unterschiedlicher Herkunft in unterschiedlichen Situationen zu sehen, die das Vaterunser beten. Am Schluss des Films wirbt die Kirche mit dem Aufruf: «Beten ist etwas für jeden» und weist auf die Webseite zur Kampagne hin.

Enttäuschung bei der Kirche

Eigentlich sollte der Werbespot vor dem neuen «Star Wars»-Film und im Weihnachtsprogramm vieler Kinos in England gezeigt werden. Die britische Regulierungsstelle hatte ihn auch ohne Beanstandung freigegeben. Die Agentur der drei grössten Kinoketten der Insel lehnte ihn allerdings ab, weil die Mitarbeiter befürchten, anders glaubenden Menschen damit ein Anstoss zu sein. Arun Arora, der als Kommunikationsleiter der Anglikanischen Kirche den Werbefilm verantwortet, zeigte sich enttäuscht über die Ablehnung: «Das Vaterunser wird von Milliarden von Menschen weltweit täglich gebetet und ist seit Jahrhunderten Teil des täglichen Lebens in diesem Land.»

Eine neue Chance

Der britische Theologe Andrew Wilson weist im Internet darauf hin, dass diese Absage eigentlich vorauszusehen war. Er sieht sie gar nicht unbedingt als negativ an. So unterstreicht er in seinem Blog (englischsprachig unter thinktheology.co.uk): «Ich persönlich denke, dass der Werbefilm grossartig gemacht ist. Die Aufregung darum wird dafür sorgen, dass ihn im Endeffekt noch mehr Menschen sehen. Zu dem Vorwurf, dass er anstössig sei, muss ich allerdings zugeben, dass die Säkularisten recht haben: Das Gebet des Herrn ist weder mild, harmlos noch simpel (...). Es ist weder Wischiwaschi noch nichtssagender Hintergrund. Wenn Sie es nicht selber beten, dann ist es in der Tat von der ersten bis zur letzten Bitte zutiefst subversiv, ärgerlich und anstössig.»

Und Beten ist (doch) etwas für jeden

Jede einzelne Aussage des Vaterunseres kann Anlass zum Ärgern sein: Es richtet sich nur an einen Gott, den Vater, den Gott der Bibel. Es rückt seine Herrschaft in den Mittelpunkt. Und brüskiert jede Macht, die auf der Erde Anerkennung beansprucht. So geht es durchs ganze Gebet hindurch weiter. Zahm ist das Vaterunser nicht. Jedenfalls nicht, wenn man es ernst nimmt. Doch anstössig im negativen Sinne ist es natürlich auch nicht. Vielmehr einladend. Es lädt in der Tat dazu ein, es in unseren unterschiedlichen Lebenssituationen zu beten – so es wie der Kurzfilm darstellt. Solches Beten ist tatsächlich etwas für jeden!

Video zum Vaterunser:

Zum Thema:
Das verkürzte Gebet: Wenn das Amen zu früh kommt
Zur Allianzgebetswoche: Wie Beten leichter fällt

Datum: 25.11.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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