Zwangsprostitution

Kaum in Betrieb ist die Meldestelle zum Bedürfnis geworden

Erst seit einem Monat ist die Meldestelle von «Act212» in Betrieb, doch in dieser Zeit haben sie bereits zahlreiche Hinweise erreicht. Sie werden von dieser Verbindungsstelle zwischen Zivilbevölkerung und Fachleuten an die nötigen Gremien weitergeleitet. Im Hintergrund-Interview mit Livenet zieht «Act212»-Leiterin Irene Hirzel eine Startbilanz.

Zoom
Irene Hirzel
Irene Hirzel, vor rund einem Monat wurde die Meldestelle eröffnet, was ist seither geschehen?
Irene Hirzel: Die Meldestelle wurde in diversen Printmedien vorgestellt. Es gab viele Interviews, sowohl in der deutschen als auch der französischen Schweiz. Was uns natürlich besonders freut, sind die Meldungen, die reinkommen. Einige sind noch in Bearbeitung, bei anderen waren die Angaben zu knapp.

Können Sie das ein und andere Beispiel nennen von Menschen, die bei Ihnen Hilfe suchten?
Die meisten Meldungen kamen anonym rein und waren Beobachtungen, die die Melder gemacht haben. Diese haben wir an die entsprechenden Polizeistellen weitergeleitet. Opfer haben sich ebenfalls gemeldet, sie haben rechtliche und praktische Hilfe gebraucht und wir haben sie an entsprechende Opferhilfestellen vermittelt. 

Was kann Act212 in solchen Fällen tun?
Im Falle der Asiatin, die in einem Schweizer Spital war, konnten wir nichts mehr machen, da es zu lange her war – sie war zur Prostitution gezwungen worden. Aktuelle Meldungen werden an die entsprechenden Stellen vermittelt, oder die Polizei übernimmt den Fall. Wir bekommen auch Rückmeldungen der Polizei.  

Wie kann dem Problem des Menschenhandels begegnet werden?
Die Schweizer Bevölkerung muss über die Problematik sensibilisiert werden. Behörden, medizinisches Personal, Mitarbeiter im Sozialwesen müssen lernen, wie man Opfer identifizieren kann, das ist nicht immer einfach. Eine Meldung kam rein, weil die Person einen Vortrag über Menschenhandel besucht hat und uns schrieb, dass bei ihr die Alarmglocken geläutet haben und sie die Situation als potentielle Ausbeutungssituation wahrnahm. Act212 wird deshalb im Jahr 2016 vermehrt Schulungen und Sensibilisierungsarbeit anbieten. Wir haben Faltkarten zur Meldestelle gemacht, die nun verteilt werden. Jeder kann sich an der Sensibilisierungsarbeit beteiligen, ohne etwas Gefährliches machen zu müssen.

Ist das Problem in den letzten Jahren eher grösser geworden?
Es gibt leider keine messbaren Zahlen, wie gross das Problem Menschenhandel in der Schweiz ist, da alles im Dunkelbereich stattfindet und nur die entdeckten Fälle messbar sind. Wir gehen aber von tausenden von Betroffenen aus, zum einen im Sexgewerbe, wir stellen aber auch eine Zunahme von Opfern in verschiedenen Arbeitsbranchen fest. Die Asylanten, die über die Balkanroute oder mit Booten in Europa ankommen, wurden alle von Schlepperbanden geschleust, viele sind traumatisiert und perspektivlos, da gehen wir von einer Zunahme aus. Durch die Meldestelle hoffen wir, dass mehr Fälle ans Licht kommen und die Opfer professionelle Hilfe erhalten können. Das bedingt eine gute Zusammenarbeit mit vielen Stellen.

Was ist seit der Gründung von Act212 sonst noch geschehen?
Nebst dem Aufbau des Vereins Act212, mit allem was dazu gehört, habe ich auch Mandate der parlamentarischen Schweiz-Rumänien-Gruppe wahrgenommen. Die Gruppe wurde 2012 gegründet und ist eine bilaterale Arbeitsgruppe gegen Menschenhandel. Ich wurde als Referentin nebst der Schweiz auch nach Rumänien, Moldawien und Schweden eingeladen.
Im Juli hat Act212 eine Fachtagung «Menschenhandel wirksam bekämpfen» mit diversen Experten veranstaltet. Dann haben wir im Juli die holländische Meldestelle besucht und viel von ihren Erfahrungen gelernt und können einiges auch bei uns umsetzen.

Was sind die nächsten Schritte?
Der Fokus lag in diesem Jahr im Aufbau der Meldestelle. Dieser Prozess ist sehr komplex, da viele Player involviert sind und ich bin sehr dankbar, dass wir eine Expertengruppe haben, die uns sehr unterstützt. Nächstes Jahr werden wir uns vermehrt auf die Sensibilisierungsarbeit, Vorträge und Schulungen konzentrieren, aber auch den Ausbau der Meldestelle in der ganzen Schweiz.

Webseite
www.act212.ch

Zum Thema:
Sie kämpft für 3'000 Frauen: «Die Opferidentifikation ist mangelhaft»
Verein ACT212: Das System des Menschenhandels stören
Walk for Freedom: 180 Frauen demonstrieren gegen Menschenhandel

Datum: 29.11.2015
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

Glaubensfragen & Lebenshilfe

Diese Artikel könnten Sie interessieren

In Mexiko und Bolivien
Die Gender-Ideologie wird auch in Lateinamerika immer stärker. In über 200 Kirchen Mexikos und Boliviens werden Sonntagsschul-Lehrer geschult, um die...
Regierung plant neue Regelung
Die niederländische Regierung hat vor kurzem ihre Pläne bekannt gegeben, Sterbehilfe für unheilbar kranke Kinder zwischen einem und zwölf Jahren zu...
Wunder am «The Chosen»-Set
Die Produzenten sagen, dass sie Gottes Hand am Set mehrfach am Werk gesehen haben. Gerade auch in Momenten, in denen die Darsteller und die Crew müde...
Der Holocaust
Am 09.11. findet zum 85. Mal der Gedenktag an die Novemberpogrome statt. Forscherin Susanna Kokkonen weiss: Die Wurzeln des Judenhasses reichen viel...

Anzeige

Kommentar

Regula Lehmann: Empörung ist billig
Wir befinden uns inmitten der Fastenzeit vor Ostern. Livenet-Kolumnistin Regula Lehmann fastet...