Von guten und bösen Mauern

Warum spricht man nicht von der «Apartheidmauer der EU»?

Gerne wird Israels Mauer- und Zaunanlage als «Apartheid-Mauer» bezeichnet. Nun hat der Libanon ebenfalls eine Mauer inklusive Wachtürmen errichtet und die Türkei arbeitet ebenso an einer (290 von 511 Kilometern sind soeben fertiggestellt worden). Der internationale – vorwiegend westeuropäische – Aufschrei ist ebenso ausgeblieben wie beim Bau einer ganz anderen Mauer: Jene der EU; dieses scharfbewachte Objekt steht sogar auf afrikanischem Boden – hätten Sie's gewusst?

Zoom
Grenzwälle in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla (Marokko)
In diesen Tagen errichtete der Libanon die jüngste Mauer, die ein Volk vom anderen trennt, in diesem Falle handelt es sich um eine inner-arabische Sperranlage. Im palästinensischen Flüchtlingslager Ain al-Hilweh nahe der libanesischen Stadt Sidon beschiessen sich Palästinenser verschiedener Organisationen, namentlich der Fatah mit einer palästinensischen Salafisten-Organisation, die einen strengen Islam fordert. Bisher starben zehn Menschen, fünfzig wurden verletzt.

Mauer zum Schutz der Nachbarn

Um Teile von Ain al-Hilweh herum wurden nun hohe Betonmauern und Wachtürme zur Sicherheit der libanesischen Nachbarn gebaut. Die libanesische Regierung befürchtet, dass sich innerhalb des palästinensischen Ortes eine IS-Dschihadisten-Gruppe formiert. Ein Aufschrei durch die westliche Welt erfolgte nicht. Das israelische Aussenministerium beschwerte sich bei der UNO, dass nichts gegen das gegenseitige Töten innerhalb der palästinensischen Gemeinschaft unternommen werde. «Das ist typisch für die westliche Welt, die doppelte Normen führt und in diesem Fall den Mund hält», sagte Israels Aussenminister Avigdor Lieberman.

Neben dem Libanon wird ganz in der Nähe ebenfalls eine Mauer errichtet: Eine 290 Kilometer lange Mauer an der türkisch-syrischen Grenze wurde gerade fertiggestellt, das ist mehr als die Hälfte der geplanten 511 Kilometer. Zudem sank die Zahl der gewalttätigen Übergriffe deutlich. Ausserdem hielt die NZZ fest, dass «seit dem Bau des Grenzzauns zu Ägypten die Zahl illegaler Migranten aus Afrika von 12'000 auf ein paar Dutzend im Jahr reduziert werden konnte».

Schlechte Mauer, gute Mauern

Als Israel zum Schutz vor Anschlägen und Selbstmordattentätern 2003 entlang der Grenze zum Westjordanland eine bis zu acht Meter hohe Sperranlage errichtete, die zu rund 95 Prozent aus Zaun besteht, war der Aufschrei insbesondere in Westeuropa gross. «Apartheid» und «Apartheidmauer» lautete der Vorwurf.

Vergleichsweise ruhig blieb es, als der Iran 2007 entlang der Grenze zu Pakistan eine 700 Kilometer lange Mauer errichtete, um illegaler Einwanderung und Schmuggel vorzubeugen. Oder die 2912 Kilometer lange Grenzanlage, mit der Indien seine Pakistan-Grenze schützt. Ebenfalls kaum in den Schlagzeilen sind die Mauern, Wachtürme und Zäune der Saudis, um Drogen-, Waffen und Tierschmuggel zu verhindern und sich gegen den IS und Al-Kaida zu wehren. Oder die bis zu fünf Meter hohen Betonwände, die in Bagdad sunnitische und schiitische Wohnviertel trennte und die heute auch gegen IS-Angriffe schützen.

Auch in Brasilien schützen kilometerlange Mauern mehr als zehn Favelas in Rio de Janeiro offiziell vor dem Wildwuchs der Armensiedlungen. Kritiker sprechen von einer Ghettoisierung.

Auch die EU hat eine Mauer

Vielen unbekannt: Auch die EU verfügt über eine Aussenmauer. Dies sogar auf afrikanischem Boden, in den spanischen Enklaven Ceuta und Meilla in Marokko. Und keine grössere Bewegung in Westeuropa schreit deswegen «Apartheidmauer» oder «Boykottiert die EU». Die EU, welche die israelische Mauer kritisiert, verfügt selbst über eine. Und dies, obschon sie mit 4'381'324 Quadratkilometer rund 195-mal grösser ist als Israel. Diese scharf bewachte EU-Mauer ist errichtet worden gegen Menschen, die hier ein besseres Leben suchen, während Israel seine Mauer nach jahrelangen Terrorangriffen aufstellte.

«Würden heute alle Grenzzäune und -mauern zu einem riesigen Grenzwall aneinandergereiht, wäre er 40'000 Kilometer lang. Er würde einmal rund um die Erde führen», sagte am 7. Februar in der NZZ vom Sonntag Elisabeth Vallet, Expertin für Geopolitik, die für die Universität Quebec Buch über die Grenzmauern dieser Erde führt. Das sind mehr als während des Kalten Krieges.

Zum Thema:
Surreale UN-Session: Israel zehnmal schlimmer als Syrien?

Unesco-Skandal: Resolution nennt Tempelberg nur muslimisch
Blauhelme angegriffen: Die UNO flüchtet – nach Israel

Datum: 18.04.2017
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet / 20 Minuten / Israel heute / NZZ

Glaubensfragen & Lebenshilfe

Diese Artikel könnten Sie interessieren

In Mexiko und Bolivien
Die Gender-Ideologie wird auch in Lateinamerika immer stärker. In über 200 Kirchen Mexikos und Boliviens werden Sonntagsschul-Lehrer geschult, um die...
Regierung plant neue Regelung
Die niederländische Regierung hat vor kurzem ihre Pläne bekannt gegeben, Sterbehilfe für unheilbar kranke Kinder zwischen einem und zwölf Jahren zu...
Wunder am «The Chosen»-Set
Die Produzenten sagen, dass sie Gottes Hand am Set mehrfach am Werk gesehen haben. Gerade auch in Momenten, in denen die Darsteller und die Crew müde...
Der Holocaust
Am 09.11. findet zum 85. Mal der Gedenktag an die Novemberpogrome statt. Forscherin Susanna Kokkonen weiss: Die Wurzeln des Judenhasses reichen viel...

Anzeige

Kommentar

Regula Lehmann: Empörung ist billig
Wir befinden uns inmitten der Fastenzeit vor Ostern. Livenet-Kolumnistin Regula Lehmann fastet...