Ägypten: Religionswechsel als Einbahnstrasse

Für die Islam-Gelehrten der führenden Universität Ägyptens ist es ein "schweres Verbrechen", wenn Bürger, die zum Islam übergetreten sind, die Religionsgemeinschaft wieder verlassen.
Mit seinem Rechtsgutachten trifft das Fatwa-Komitee der Al Azhar Universität in Kairo vor allem Ex-Kopten, Angehörige der grossen ägyptischen Kirche, die formell zum Islam konvertiert sind, um sich scheiden zu lassen, um wieder zu heiraten oder um einen Muslim zu heiraten. Oft wollen diese Leute ihren Religionswechsel wieder rückgängig machen, wenn sie ihr Ziel erreicht haben.

Das islamische Gesetz hart anwenden…

Diesem schweren Vergehen müsse mit Härte begegnet warden, fordert das höchste Gremium der islamischen Gelehrten. Laut dem Bericht des Nachrichtensenders Al Arabia, der sich auf ägyptischen Quellen stützt, wird eine Bestrafung nach der Scharia gefordert - welche Strafe, werde nicht ausgeführt. Nach dem traditionellen Verständnis fordert die Scharia die Todesstrafe für den Abfall vom Islam.

…da Entschluss zum Islam ‚unwiderruflich'

Die Fatwa antwortet auf eine Anfrage der ägyptischen Behörde, die Klagen von Bürgern bearbeitet, welche ihren Religionswechsel rückgängig machen wollen. Kopten verlangen dabei neue Identitätskarten, welche ihre Rückkehr zum christlichen Glauben der Väter förmlich belegen. Von 148 Gesuchen seit Juni 2006 sollen 32 bewilligt worden sein.
Scheich Abdul-Hamid Al-Atrash, der Vorsitzende des Fatwa-Komitees, sagte, niemand werde gezwungen, zum Islam überzutreten. Wer es tue, müsse von der Religion völlig überzeugt sein. Daher habe der Entschluss als unwiderruflich zu gelten. Nach der Fatwa sollen jene, die den Islam wieder verlassen wollen, zur 'Busse' aufgefordert und - wenn sie auf ihrem Schritt bestehen - bestraft werden.

Widersprüchliche Gerichtsentscheide

Die Fatwa dürfte die Unruhe unter Ägyptens Kopten, die allen staatlichen Schalmeien zum Trotz in fast allen Lebensbereichen benachteiligt werden, weiter anheizen. Das Verwaltungsgericht hatte im April 2007 entschieden, bei einem Rückübertritt zum Christentum keine neuen Identitätspapiere auszustellen, und damit die Minderheit erzürnt. Der koptische Menschenrechtler Kamal Zakher bezeichnete das Urteil als "unmenschlichen Entscheid, der das Bürgerrecht, das allen Ägyptern nach Artikel 1 der Verfassung zusteht, verletzt". Kurz zuvor hatte ein Obergericht neue Papiere in solchen Fällen angeordnet.

Kairo massgebend für die sunnitischen Muslime

Im Islam herrscht die Überzeugung, dass die Religion Mohammeds als endgültige Offenbarung Gottes alle früheren Religionen ablöst - und daher jeder, der zurück zu einer unvollkommenen Religion will, von Sinnen ist. Statistiken von islamischer wie von koptischer Seite zeigen eine steigende Zahl von Übertritten von Kopten zum Islam an.
Die Al Azhar Universität gilt als die massgebende Schule des sunnitischen Islam; die Entscheide ihrer Gelehrter werden von Muslimen in der ganzen Welt beachtet. In Ägypten wie in anderen arabischen Ländern wird heftig um den Vorrang der Scharia vor anderen Rechtsquellen (Gewohnheitsrecht, Elemente westlichen Rechts) gerungen.

Datum: 22.01.2008
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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