Protestanten in der Türkei fühlen sich «stärker nach Brunson»
Die kleine Minderheit von evangelischen
Christen in der Türkei fühlt sich nach Inhaftierung, Prozess und Freilassung
von Pastor Andrew Brunson stärker als vorher. Das hat ein Vertreter gegenüber
der Webseite Al-Monitor erklärt.
Armenische Kirche in Vakifli
Brunson war in der
letzten Woche freigelassen worden, nachdem er verschiedener terroristischer Verbrechen
schuldig gefunden worden war. Seine lange Haftzeit wurde ihm aber angerechnet,
sodass er freikam und sofort in die USA ausreiste. Sein Fall hatte die
Beziehungen zwischen der Türkei und den USA schwer belastet.
Nach Soner Tufan, einem
Sprecher der Vereinigung protestantischer Kirchen in der Türkei, sind die
evangelischen Christen im Lande insgesamt gestärkt aus dem Trauma
hervorgegangen. Gegenüber der Webseite Al-Monitor erklärte er: «Die Leute
glauben, dass die Kirche durch all das geschwächt wurde, aber
interessanterweise ist das nicht der Fall.»
Besucher verdreifacht, mehr Einheit
Soner Tufan (rechts) und Andrew Brunson am Abend seiner Freilassung.
Tufan erklärte, dass
sich als Ergebnis des Brunson-Falles die Menschen stärker an ihre Gemeinden
gebunden fühlten. «Ich predige jeden Sonntag in der Kurtulus-Gemeinde in
Ankara. Seit 30 Jahren bin ich in dieser Gemeinde, und nach dem, was mit
Brunson geschah, hat sich die Zahl der Besucher verdreifacht. Die Leute standen bis zur Tür gedrängt.»
Nach Auskunft von Tufan
hat der Fall Brunson die verschiedenen Kirchen und Denominationen auch einander
in Solidarität näher gebracht.
Die frühere Gemeinde
von Brunson in Izmir kaufte das Gebäude, in dem sie sich versammelte, direkt
nach seiner Freilassung. Pläne dafür hatte die Gemeinde während des
Gefängnisaufenthalts auf Eis gelegt; nach Tufan hat der Kauf «symbolischen
Charakter».
Wenig Unterstützung für religiöse Minderheiten
Nach den Worten Tufans
bleiben die religiösen Vorurteile in der Türkei aber stark; er sei enttäuscht, dass
die Protestanten im Land keine Unterstützung von anderen erhalten hätten. Nach
seinen Worten sind religiöse und ethnische Minderheiten immer unter staatlicher
Überwachung: «Aleviten oder die Zeugen Jehovas werden genauso überprüft.
Protestanten werden im Moment nicht als grosse Bedrohung angesehen, aber wenn
eines Tages etwas geschieht, könnte der Staat denken 'Lass sie uns auslöschen'.»
Und
er ergänzte: «Die wahre Überraschung wird für mich sein, wenn die Führer in diesem Land
mich und meinen Glauben respektieren und mir meine verfassungmässigen Rechte
gewähren.»