Nur wenige kommen dem Dalai Lama so nahe wie Dawa, der rund ein Jahrzehnt lang dessen Bodyguard war. Doch ausgerechnet dort fand er im Geheimen zu jemandem, den man genau da nicht vermuten würde: Jesus Christus. Dawa
durchlief bald danach eine Bibelschule und arbeitet heute als Gemeindegründer
im Himalaya. Gegenwärtig spricht er in der Schweiz über seine Erlebnisse.
Dawa
«Für dich als Tibeter muss die Schweiz flach sein», fragen wir Dawa bei
unserem Rundgang durch Luzern. «Ja», lacht der frühere Bodyguard des Dalai
Lama. Immerhin wird seine Heimat als «Das Dach der Welt» bezeichnet.
In buddhistischer Familie aufgewachsen
Auch das innere Leben von Dawa war voller Berge, wie er auf seiner
Vortragstour durch die Schweiz mit dem international tätigen Hilfswerk «HMK
Hilfe für Mensch und Kirche» mit Sitz in Thun (BE) berichtet. «Ich bin in einer
buddhistischen Familie aufgewachsen und schon früh gebeten worden, die Religion
der Vorväter zu wählen.»
Er wuchs voller Hass auf. «Wir lebten als Flüchtlinge in Nordindien.
Meine Eltern und Hunderttausende andere Tibeter waren von den Chinesen
vertrieben worden.» Nach Nepal, Bhutan und Indien. «Meine Eltern waren mehrere
Wochen über die Berge gelaufen, bis sie in Indien angekommen waren.»
Aus dem eigenen
Land geworfen
Die Geflohenen dachten, dass es nur für kurze Zeit sein würde, doch es
sind Generationen geworden. «Indien hiess uns willkommen, doch das Ziel ist,
dass wir wieder ein eigener Staat sind, so wie früher, als Tibet unabhängig war.
«Ich entwickelte eine unbändige Wut auf die Chinesen. Sie hatten uns aus
unserem eigenen Land geworfen und vertrieben. Wegen ihnen waren wir heimatlos
und nationslos geworden. Das erschütterte mich. Mir war klar, dass ich einmal
Rache würde nehmen wollen.»
Vom Dalai Lama
gerufen
Die tibetischen Jugendlichen in Nordindien besuchten eine eigene Schule.
«Ich war gut im Sport, trat oft als Captain in Erscheinung und auch in den
Bildungsfächern waren meine Leistungen stark.» Bei der Graduierung war ein
besonderer Gast anwesend: Der Dalai Lama. Und diesem war Dawa offenbar
aufgefallen. «Er bat mich zu sich, fragte mich, wie ich heisse und was ich
einmal werden wolle. Ich sagte, dass ich Militäroffizier werden und dem
Widerstand beitreten wolle.»
Er sagte, dass ich nach der Zeremonie ins Schulbüro kommen soll. Ich ging
hin und er sagte, dass er sich um mich kümmern werde. Tatsächlich waren bald
alle Formalitäten erledigt und Dawa konnte auf eine Militärschule, die in
Zusammenarbeit mit den indischen Streitkräften geführt wurde.
Dalai Lamas
Bodyguard
Sowohl in den militärischen wie auch den schulischen Einheiten gehörte
Dawa zu den Besten. Nach dieser Ausbildung wurde er in einen erlauchten Kreis
berufen: Zum Bodyguard «Seiner Heiligkeit». «Wir waren 30 Leibwächter. Im
dritten Jahr stieg ich zum Top-Kader und in den engsten Kreis
auf. Ich konnte ihn auf seinen Reisen begleiten, lokal wie international.»
Er war bereits rund fünf Jahre in dieser Abteilung der Streitkräfte, da
erhielt er einen neuen Zimmerkameraden. «Ich lud ihn immer wieder dazu ein, mit
uns auszugehen und zu Partys zu kommen. Denn Alkohol gehörte durchaus dazu.»
Ein besonderer
Zimmerkamerad
Immer wieder fragte Dawa seinen Zimmergenossen, ob er nicht auf ein paar
Drinks mitkommen wolle. Doch stets lehnte dieser höflich ab. «Ich zog ihn
deswegen nach ein paar Monaten immer etwas auf.»
Eines Tages sagte Dawas Kollege: «Ich will dich nicht beleidigen, ich
trinke nicht mehr. Früher habe ich das getan. Aber heute nicht mehr. Der Grund
ist, dass ich ein Nachfolger von Jesus Christus geworden bin.» Davon hatte Dawa
noch nie direkt gehört. «Ich wusste lediglich knapp davon, weil der Dalai Lama
manchmal Bischöfe und Kardinäle trifft.»
Dawa war sehr berührt, «denn dieser Freund war auch ein Vorbild für mich
geworden und ich respektierte ihn sehr.»
Ein anderer
Lebensstil
Dawa wollte mehr wissen. «Er sagte, dass er selbst noch relativ neu in
der Nachfolge ist und sich in einer Gruppe von etwa zehn Leuten trifft. Auch
lud er mich ein, einmal mitzukommen, wenn wir das nächste Mal frei haben.» Dawa ging hin und traf rund ein Dutzend Christen. «Sie waren vorher
Buddhisten oder Hindus gewesen, alles Universitätsstudenten, die mir nun ihre
Geschichten erzählten.» Bewegt ging er regelmässig zu den Treffen.
«Um mich herum waren hasserfüllte Gangster und Kämpfer. Wir tranken und
rühmten uns wegen unseres Lebensstils – das beschämte mich nun. Mein Freund
sagte, dass er früher selbst aggressiv gewesen war.»
Diese Menschen hier waren völlig anders. «Noch kannte ich nicht alle
Details, doch ich glaubte den Worten meines Freundes. Sein Leben überzeugte mich. Ich entschied mich, mein Leben Jesus Christus zu übergeben.»
Zwei christliche
Dalai-Lama-Bodyguards
Nun standen im engsten Bodyguard-Kreis des Dalai Lama zwei gläubige
Christen. «Wir sagten es niemandem.» Mit der Zeit spürte Dawa, dass er die
Bibel studieren wollte.
«Ich erzählte daheim meinen Eltern und den Geschwistern, dass ich einen
Frieden gefunden habe, wie ich ihn nicht gekannt hatte.» Sie wollten wissen, was geschehen war und ich erzählte es ihnen. Das
gefiel ihnen überhaupt nicht. «Wir sind als Buddhisten geboren und wir sterben
als Buddhisten», wurde ihm erklärt, selbstverständlich war er bei diesem «wir»
miteingeschlossen.
«Es ist keine
fremde Religion»
Dawa erklärte ihnen, dass es keine fremde Religion sei, «ich habe noch
immer meine beiden Augen im Kopf, sehe noch gleich aus, aber all das Negative
ist weg. Ich bin nun eine glückliche Person. Sie wollten mich von meinem
Entscheid abbringen, doch ich sagte, dass ich den Gott, der mir diesen Frieden
gab, nicht verleugnen werde.»
Die Verwandten waren der Meinung, dass diese Phase bald vorbei sein
werde. Doch sie konnten ihn nicht überzeugen. «Mein Herz war nun voller
Frieden, das fanden sie interessant. Doch als ich nicht zum Buddhismus
zurückkehrte, waren sie enttäuscht und sie wurden aggressiv. Sie sagten: 'Wenn
du dabei bleibst, ist das hier nicht mehr der richtige Ort für dich.' Ich wurde
daheim rausgeworfen.»
Hunderte Freunde
sollen diesen Frieden finden
Dawa entschied sich, auf eine Bibelschule zu gehen. «Mir war wichtig,
dass hunderte meiner Freunde ebenfalls das finden, was ich gefunden habe.»
Insgeheim hatten seine Verwandten gedacht, dass er nach dem Rauswurf relativ
schnell als Buddhist zurückkehren würde, doch dies geschah nicht.
«Ich wollte Christus und den Frieden, den ich erhalten hatte, nicht
verlassen. Es gibt unter den Tibetern viele Menschen mit inneren Wunden und
Wut. Ich verstehe das, das ist normal.» Heute leitet er eine
Gemeindegründungsbewegung im Himalaya und hilft mit, dass viele Menschen die
Hoffnung und den Frieden erhalten, den er selbst gefunden hat.
Eine Bibel für
den Dalai Lama
Christliche Tibeter hatten im Laufe der Zeit Wohneinheiten für tibetische
Flüchtlinge gesponsert. «Bei der Einweihung war auch der Dalai Lama dabei. Er
hielt eine Ansprache und sagte an die Buddhisten gerichtet: ‘Und was tut ihr?
Lernt von den christlichen Brüdern!’»
Bei dieser Begegnung schenkte Dawa dem Dalai Lama auch eine Bibel. «Er
nahm sie entgegen und sagte: 'Was du tust, ist gut.' Wir berühren die Leben von
Menschen. Ich danke Gott, dass er zu meinem Herzen gesprochen und mir die Augen
geöffnet hat. Er füllte mein Herz mit seiner Liebe und um das Evangelium im
Himalaya weiterzugeben. Das ist meine Geschichte.»