Die iranischen Neuwahlen vom 21. Februar
haben die politische Lage in der Islamischen Republik gefährlich verschärft:
Bisher gemässigte Kräfte im Parlament von Teheran wurden so gut wie
ausgeschlossen, schiitische Kleriker und politislamische Militaristen geben nun
an Stelle der Reformer den Ton an. Auf den iranischen Christen lastet spürbar
mehr behördlicher Druck.
Doch die Christen gewinnen Sympathien im
Volk als unerschrockene, selbstlose Helfer in der durch die Corona-Epidemie verursachte
Notlage. Die Pandemie wütet gerade in Iran neben China und Italien am
stärksten. Sie überschattet die Tatsache, dass nach diesem Urnengang die Tage
der gemässigten Führung unter Staatspräsident Hassan Rohani gezählt sind.
Ebensowenig sorgt sich international jemand darüber, wie die Islamische
Republik ihr atomares Anreicherungs- und wohl bald auch Rüstungsprogramm
vorantreibt.
Am heiligen Grab ausgebrochen
Der eigenen Bevölkerung wollen die
Ayatollahs Mut machen: Mitte März verkündeten die Freitagsprediger in allen
Moscheen, dass mit Allahs Hilfe die teuflische Seuche bald ausgetobt haben
wird. Kein Wort davon, dass das Coronavirus ausgerechnet am Grab der
Schia-Heiligen «Fatima die Unbefleckte» ausgebrochen war. Aus ihrer heiligen
Stadt Qom zurückkehrende Pilgerinnen und Wallfahrer haben die Epidemie lang
unkontrolliert ins ganze Land hineingetragen.
Allah und drastische Verbote sollen es richten
Jetzt soll Allah helfen, doch beschränken
sich die in seinem Namen agierenden Behörden der Islamischen Republik auf
drastische Verbote und Strafen. So für den Besitz «überzähliger» Schutzmasken. Die Sonderpolizei der «Islamischen Revolutionswächter» hat so
eine neue Fahndungsaufgabe nach der Jagd auf nur locker verschleierte Frauen
erhalten. Untersagt wurden auch die üblichen Inlandsreisen zum iranischen
Neujahrs- und Frühlingsfest Nouruz am 21. März.
Christen bleiben im infizierten Gefängnis
Von den 70'000 Freilassungen aus iranischen Gefängnissen, wo Corona ausgebrochen ist, blieben christliche Inhaftierte
ausgenommen. Vor allem jene Neuchristen, die wegen «Abfall» von der Botschaft
Mohammeds oder gar ihrer weiteren Verkündigung Jesu in Todeszellen auf die
Hinrichtung warten oder nach Auspeitschung und anderen körperlichen
Züchtigungen ihre oft langjährigen Kerkerstrafen absitzen.
Einer von ihnen wurde erst zu diesen Wahlen
wegen «Beleidigung des heiligen islamischen Glaubens» für drei Jahre eingekerkert: der Rentner Ismail Maghreb-i Nedschad. Seine zwei Verbrechen waren ein «Like»
auf Facebook zu einem Blog, der die politische Propaganda eines schiitischen
Geistlichen kritisierte, sowie die Nutzung des Messengerdienstes «Telegram».
Diesen wollen die iranischen Radikalen schon seit zwei Jahren verbieten, doch
hat ihn bisher der liberalere Präsident Rohani offen gehalten. Nach diesem
Urteil und dem Islam-Ruck bei den Wahlen dürfte in Teheran aber die Schliessung
des «Telegram» bevorstehen.
Das Zeugnis einer islamischen
Religionslehrerin
Das alles hält jetzt aber sogar strenge
Muslimfamilien nicht davon ab, in den Coronanöten bevorzugt bei christlichen
Ärzten und Nachbarn Hilfe zu suchen. Diese verstünden sich besser als alle
Schiiten auf hygienische Vorbeugung und kundige Behandlung, sogar medizinisch Ungeschulte. «Bei ihnen findet man auch liebevolle Pflege und selbstlosen,
unerschrockenen Kontakt mit bereits Infizierten wie meinem Mann und Sohn»,
bestätigt Frau Zohreh, selbst islamische Religionslehrerin: «Diese Christinnen
und Christen verhalten sich ebenso menschlich wie heldenhaft. Das gibt auch mir
als gläubige Muslima zu denken...».