Deutschland: Knapp ein Drittel neigt zu Verschwörungstheorien
Es sind Geheimdienste, Rothschilds oder das «Internationale
Finanzkapital»: Knapp ein Drittel der Bundesbürger glauben, dass geheime Mächte
die Welt steuern. Das ergab jetzt die repräsentative Studie «Wir sind überall».
Die
Konrad-Adenauer-Stiftung befragte zwischen Oktober 2019 und Februar dieses
Jahres 3250 Wahlberechtigte. Die Aussage «Es gibt geheime Mächte, die die Welt
steuern» fanden 11 Prozent der Befragten richtig, 19 Prozent halten sie für
wahrscheinlich richtig. Dem gegenüber stehen 62 Prozent, die diese These für
wahrscheinlich falsch (27 Prozent) beziehungsweise sicher falsch (35 Prozent)
halten. Der Rest wollte sich nicht entscheiden oder keine Antwort geben.
Schon vor Corona
Der Autor der Studie, Jochen
Roose, kommentiert: «Dieser Anteil ist
mit knapp einem Drittel der Bevölkerung bemerkenswert und scheint unabhängig zu
sein von den jüngsten Entwicklungen rund um das SARS-CoV-2-Virus.» Auch
die Sozialpsychologin Pia Lamberty von der Universität Mainz bestätigt in einem
Gespräch mit dem ZDF, dass bereits vor Corona rund ein Drittel der Bevölkerung
eine «Verschwörungsmentalität» hatte: «Der Verschwörungsglaube ist in der
Gesellschaft weit verbreitet», erklärte sie. «Wir haben es hier mit einem
generalisierten Misstrauen gegenüber all denen zu tun, die als Mächte
wahrgenommen werden.»
Wenn man konkreter nachfragt,
kann jeder sechste dabei nicht sagen, um welche «Mächte» es sich handelt. Die,
die es wissen, nennen vor allem
Wirtschaftsunternehmen, Banken
oder «das Finanzkapital» (13 Prozent)
Geheimdienste wie CIA, Mossad
oder KGB (12 Prozent)
«reiche Menschen» oder «reiche
Familien» wie die Rockefellers oder Rothschilds (11 Prozent)
Quer
durch die ganze Gesellschaft
Die Bereitschaft, an
Verschwörungen zu glauben, ziehe sich grundsätzlich durch alle
Gesellschaftsbereiche und politischen Lager: «Wir finden dies in Ost und West,
bei Alt und Jung, Männern und Frauen», heisst es in der Studie. Stark
verbreitet sei der Glaube an eine Weltverschwörung unter Anhängern der AfD:
Unter ihnen hielt demnach eine Mehrheit von 56 Prozent den Verweis auf «geheime
Mächte, die die Welt steuern» für sicher oder wahrscheinlich richtig. Hier
sind auch die bekannten antisemitischen Theorien weiter verbreitet.
Männer glauben stärker an Verschwörungen als Frauen, was Pia Lamberty möglicherweise
mit dem grösseren Bedürfnis von Männern erklärt, aus der Masse herauszustechen
und sich zu profilieren. Aber hier sei weitere Forschung nötig.
«Von
der Gesellschaft abgehängt»
Auch der
Bildungshintergrund spielt eine Rolle: «Menschen mit formal höheren Bildungsabschlüssen
scheinen seltener an Verschwörungstheorien zu glauben als jene mit niedrigeren
formalen Schulabschlüssen», hält die Studie fest. Pia Lamberty erklärt das: «Das
hat nichts mit Intelligenz zu tun, sondern damit, dass sich Menschen, die eine
niedrigere Schulbildung haben, sich eher von der Gesellschaft abgehängt fühlen.»
Weiter hängt der Glaube
an Verschwörungstheorien auch mit der Mediennutzung zusammen: «Eine geringere
Mediennutzung generell und eine Abneigung gegen die öffentlich-rechtlichen
Medien gehen einher mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, an
Verschwörungstheorien zu glauben.»