«Göttlicher Moment»

Ester-Musical des ICF trifft den Nerv

Wie kaum ein anderes Thema bestimmt zur Zeit das Schicksal von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer die Medien und auch die politische Diskussion. Mit dem Muscial «Ester» traf das ICF (International Christian Fellowship) an Ostern weit mehr ins Schwarze, als man es sich selbst vorgestellt hatte.

Zoom
Das Musical «Esther» vom ICF Zürich war ein Erfolg.
Der Autor und Regisseur des Musicals, Nicu Bachmann, spricht gegenüber Livenet von einem «göttlichen Moment» im Blick auf die Themenwahl. «Gott hält das Timing in der Hand und er weiss, was dran ist», sagt Bachmann. «Leo Bigger und ich haben uns am gleichen Tag für die Geschichte mit Ester entschieden. Es war dann schnell klar, dass eine Aktualisierung dieses Stoffes die Frage der Flüchtlinge ins Zentrum rückt». Über 8'000 Menschen haben nach Angaben der ICF die ersten Aufführungen am Oster-Wochenende in Zürich gesehen.

«Können wir das machen?»

Die Verantwortlichen der ICF hatten durchaus kontrovers darüber diskutiert, ob das jährliche Musical der Kirche auch ein so aktuelles politisches Thema aufgreifen sollte. Manche waren der Ansicht, dass es «ein zu schweres Thema für ein Musical ist», so Bachmann. «Wir haben uns gefragt: 'Können wir das wirklich machen?'» Dann sei man zu dem Entschluss gekommen, und sei sich darüber im Klaren gewesen, dass man es mit einem solchen Thema «nicht jedem Recht machen» könne.

Thema in Europa

Zoom
Hat mit dem neuen Musical den Nerv der Zeit getroffen: Nicu Bachmann.
Das Thema «Mittelmeer-Flüchtlinge» beschäftigt die Öffentlichkeit in Deutschland und der Schweiz, in vielen europäischen Ländern und nicht zuletzt auch auf EU-Ebene. Papst Franziskus hatte erneut auf die Not der Flüchtlinge hingewiesen und an die Hilfbereitschaft der EU-Staaten appelliert. Vor Kurzem hat die Europäische Union die Hilfe für Flüchtlinge ausgeweitet, wobei darin auch viele Massnahmen enthalten sind, die eine weitere Abschottung Europas vor Flüchtlingen sichern sollen, wie Kritiker meinen.

Auslöser für die Thematisierung waren neuerliche Unfälle von Flüchtlingen, die per Boot und über das Mittelmeer nach Italien flüchteten, viele fanden dabei den Tod. Mit diesem Geschehen beginnt auch das Musical Ester. Die Menschen, die die Überfahrt auf dem Mittelmeer überlebt haben, landen in Marokko und geraten hier zwischen die Fronten derjenigen, die helfen wollen und denen, die in den Flüchtlingen unerwünschte Personen sehen.

Viele reagierten bewegt und betroffen

Wie sehr das Thema die Menschen bewege, so Bachmann, habe sich schon bei den ersten Vorstellungen gezeigt. Gerade der Beginn des Musicals, in dem mitzuerleben ist, wie die vom Boot geretteten Flüchtlinge in Marokko landen und dort in Lager untergebracht werden, habe viele Zuschauer bewegt und betroffen gemacht.

Er wisse auch um diejenigen, so Bachmann, die bei dem Thema Hilfe für Flüchtlinge eher auf die Bremse treten. «Nicht alle in der Kirche sind der Meinung, dass wir hier barmherzig sein sollten. Manche haben Angst, dass der Sozialstaat in der Schweiz von den Flüchtlingen ausgenutzt wird.»

Bachmann sieht sich mehr als Mahner, denn als jemand, der ein politisches Statement abgeben will: «Ich bin ja auch hilflos bei diesem Thema und habe nicht die fertige Lösung. Mein Ziel ist es, die Leute zum Nachdenken zu bringen, dass sich selbst fragen: 'Wo muss ich mein Denken vielleicht verändern?'.»

Er liebe es an seiner Kirche, dem ICF, dass sie auch Möglichkeiten schaffe, wie sich Menschen für die Sache der Flüchtlinge konkret einsetzen könne. Sei es bei Projekten der Flüchtlingshilfe in Afrika oder durch eine Spende. Bei den ersten Aufführungen sind rund 100'000 Franken an Spenden eingegangen. Das Geld wird sowohl für die Kosten der Musical-Aufführungen wie für die Flüchtlingshilfe verwendet. Angaben über die genaue Verteilung der Gelder macht das ICF nicht.

Leo Bigger: Verantwortung übernehmen

Wichtig sei es gewesen, so Bachmann, die Zuschauer mit dem Stück aufzurütteln. Und zwar so, dass sie sich nicht nur als Beobachter oder Opfer fühlten. Genau dies sei dann auch der Kern des Statements von ICF-Leiter Leo Bigger, der am Ende des Musicals zu Wort kommt: «Es wird Zeit, dass du aufstehst und kämpfst für deine Familie, deinen Beruf, deine Gemeinde, damit du einen Unterschied machst. Sprich mit Gott und sag ihm: 'Ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen.'»

Zum Thema:
8'100 Besucher am ICF Musical: Ester und ich: «Kein Opfer der Umstände»
Der Mann hinter den ICF Musicals: Nicu Bachmann: «Ich will gerne ein Hofnarr für Gott sein»
Freikirchen und die Flüchtlinge: Den persönlichen Bezug zu den Migranten herstellen
Flüchtlingskatastrophe: Hunderte sterben im Mittelmeer – und was ist unsere Verantwortung?
Datum: 30.04.2015
Autor: Nobert Abt
Quelle: Livenet

Glaubensfragen & Lebenshilfe

Diese Artikel könnten Sie interessieren

Livenet-Top 5
Hunderttausende Besucher haben im Jahr 2022 auf die Seiten von Livenet und Jesus.ch geklickt und eine Vielfalt von Artikeln gelesen. Wir haben die...
Sonntag der verfolgten Kirche
Am 20. November ist der «Sonntag der verfolgten Kirche». Blasphemie-Gesetze, dschihadistische Mobs, nationalistische Strömungen – Christen leiden...
Über 20 Gemeinden
Über 20 Kirchen und Werke haben sich zur Ev. Allianz Zürich zusammengeschlossen. «Gemeinsam träumen wir von Gottes Wirken in der Stadt Zürich, wir...
Begegnungs-Tour
Inspiriert durch die Encounter Tour 2021 in Deutschland, initiiert vom Evangelisten Chris Schuller, treffen sich seit April 2022 Christen...

Anzeige

Kommentar

Regula Lehmann: Empörung ist billig
Wir befinden uns inmitten der Fastenzeit vor Ostern. Livenet-Kolumnistin Regula Lehmann fastet...