Frischluft für die Kirche

Wie die Basler Kirche überleben will

Wie bewahrt und gewinnt eine reformierte Kirche, die unaufhaltsam Mitglieder verliert, Kraft und Ausstrahlung? Die Basler Antwort auf die Frage kennt Kirchenratspräsident Lukas Kundert. Ein Zukunftsszenario für andere Landeskirchen?

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Das Basler Münster
Der Kirchenrat der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt (ERK-BS) setzt auf attraktive Gottesdienste. Die Kirchgemeinden wurden nach einer ersten Krise 1989 im Jahr 2004 aufgefordert, auf dieses Ziel hin zu arbeiten und sich innert eines Jahrzehnts eine neue Ausstrahlung zu geben. Dabei ist nicht Mainstream, sondern theologische Vielfalt gewünscht, wie Kirchenratspräsident Lukas Kundert kürzlich vor der Evangelisch-kirchlichen Fraktion der Zürcher Kirchensynode dargelegte. 

Die Gemeinden, denen dies gelingt, werden belohnt. Lukas Kundert: «Wo die Gottesdienstgemeinde verdampft, findet kein Gemeindeleben mehr statt. Das Zentrum des kirchlichen Lebens muss der Gottesdienst sein», heisse es in den Perspektiven bis 2025 der Synode.

Gottesdienstorte und Stellen unter der Lupe

Die Quartiergemeinden erhalten die Mittel und Stellenprozente nicht mehr entsprechend ihren Mitgliederzahlen, sondern pro Funktion und Aufgabe. Die Synode investiert die Gelder bewusst in die Kirchgemeinden aufgrund der Kriterien des Kirchenrats, der dafür auch Gottesdienstbesuch und Kollekten einbezieht. Jede Stelle wird unter die Lupe genommen – in den Quartiergemeinden wie in den gesamtkirchlichen Tätigkeiten, etwa dem schulischen Religionsunterricht (fakultativ und mit 90 Prozent der Kinder sehr erfolgreich).

Für Gottesdienstorte, die über Jahre wenig Besucher und tiefe Kollekten ausweisen, wird die Schliessung in Aussicht gestellt. Die erforderlichen SWOT-Analysen erstellt die Kirche selbst. «Berater kommen aus einem anderen Kontext.» Die ERK-BS umfasst noch acht Kirchgemeinden mit 21 Gottesdienstorten.

Fusionen kein Allheilmittel

Gegenüber Fusionen äusserte der Basler Kirchenratspräsident, der seit 2004 amtiert, Vorbehalte. «Es gibt gewisse Gemeinden, die man durch Fusionen kaputt macht.» Der Kirchenrat habe gelernt, bei jedem Schritt zu fragen: Wer sind die Verantwortlichen, können sie miteinander arbeiten? Neben Hirten- und Lehrer-Typen seien in den Teams auch Evangelisten vonnöten. «Wir entwickeln ein anderes Amtsverständnis.»
Laut Lukas Kundert versucht die Kirchenleitung, Pfarrpersonen zu ermächtigen, «dass sie einen Teil des Dienstes abgeben an andere, die das besser machen». Gesucht werden zudem Sozialdiakone mit der Bereitschaft, pfarramtliche Funktionen zu übernehmen.

Spenden eröffnen Zukunft

Die sinkenden Steuereingänge werden mit Spenden ausgeglichen. Laut Lukas Kundert ist es das erklärte Ziel, jeden entfallenden Steuerfranken durch Spenden von Mitgliedern aufzufangen. Was vor 20 Jahren erst einzelne Gemeinden praktizierten, etwa mit Fördervereinen, ist heute ein Muss.

Die Kirchgemeinde Thomas findet für jeden Steuerfranken 2,3 Franken Spenden, Gellert 1,65, St. Jakob 0,9. Der Kirchenrat fordert die anderen Kirchgemeinden auf, wenigstens auf die Hälfte (0,5 Franken) zu kommen. Laut Kundert stammt derzeit etwa ein Drittel der Einnahmen aus Drittmitteln. So kann die ERK-BS mit aktuell 29'000 Mitgliedern gleich viel ausgeben wie vor Jahren mit 40'000 Mitgliedern: knapp 30 Millionen Franken.

Dies sei nicht einigen Grossspendern zuzuschreiben; vielmehr seien es in der Gemeinde verwurzelte, engagierte Mitglieder, welche die Kioskfrau im Quartier motivieren, zusätzlich zur Kirchensteuer tausend Franken zu geben. Kunderts Erfahrung: «Ein Projekt funktioniert, wenn es ein Herzensanliegen ist, ein genuin kirchliches Anliegen», und wenn viele Engagierte dafür selbst Werbung machen. Es bedürfe einer geistlichen Dimension, der Begleitung im Gebet.

Staatsfrei und geschätzt

Die ERK-BS ist, so Lukas Kundert, seit 100 Jahren vom Staat frei und doch öffentlich-rechtlich anerkannt. Sie ist in den letzten Jahrzehnten zur Mitgliederkirche «mit volkskirchlichen Rudimenten» geworden. Die Stadtkirchgemeinde ohne Umland schrumpft anhaltend, weil die einheimischen Familien im Schnitt nur ein Kind haben und die meisten Zuwanderer fernbleiben. Die Kirche hat die Kirchensteuer mit eigener Rechnung einzufordern (das Mehrfache des Betrags, der in anderen Kantonen mit der kantonalen Steuerrechnung belastet wird).

Kundert zog einen biblischen Vergleich: So wie die Israeliten aus dem Land des grossen Flusses in ein Land zogen, «wo man Hände zum Himmel erheben muss, um Gott um Regen zu bitten», seien die Basler Reformierten in ein Land mit schmalem Steuermittelfluss gelangt, «wo wir unsere Hände erheben müssen». Diese geistliche Herausforderung nähmen die Christen mit Zuversicht an. Doch seien sie auf die Hilfe anderer angewiesen. «Wir merken umso mehr, dass wir durch schwierige Situationen durchgetragen werden.»

Zum Thema:
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Datum: 12.03.2016
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet / LKF

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