Ökumenischen Rates der Kirchen

Bedford-Strohm: «Viel Nachdenklichkeit bei Russisch-Orthodoxen»

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Heinrich Bedford-Strohm ist der neue Vorsitzende des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) (Bild: Evang.-Luth. Kirche in Bayern)
Heinrich Bedford-Strohm ist nun der wichtigste Repräsentant im Weltkirchenrat. Er freut sich auf Treffen mit Papst und UN-Generalsekretär, will aber auch die Gesprächskanäle nach Russland offen halten.

PRO: Herr Bischof, Sie sind nun Vorsitzender des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Das klingt ein bisschen wie das internationale Pendant zu Ihrer früheren Aufgabe: Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland…
Heinrich Bedford-Strohm: Es gibt in der Tat Analogien. Ich stehe jetzt für acht Jahre an der Spitze einer Gemeinschaft von Kirchen, auch wenn die in sich sehr viel unterschiedlicher sind als in der EKD. Die Aufgaben im Weltkirchenrat sind klar verteilt. Wir haben einen Generalsekretär, der ist für das operative Geschäft zuständig. Ich hingegen bin als Vorsitzender des Zentralausschusses der oberste Repräsentant der 352 Mitgliedskirchen im Weltkirchenrat und ihren 580 Millionen Mitgliedern. Zu meinen Aufgaben gehören etwa Treffen mit den Spitzen der christlichen Konfessionen wie dem Papst als Oberhaupt der Katholiken oder dem Patriarchen von Konstantinopel als Oberhaupt der orthodoxen Weltkirche, aber auch der Austausch mit Repräsentanten anderer Religionen und Akteuren der Politik wie dem UN-Generalsekretär. Dazu werde ich viel reisen, insbesondere, wenn meine Zeit als bayerischer Landesbischof im Oktober 2023 zu Ende gegangen sein wird. Ausserdem steuert der Zentralausschuss gemeinsam mit dem Exekutivausschuss unter meiner Leitung die inhaltliche Arbeit des ÖRK. Die Impulse dazu kommen aus den Vollversammlungen, die ja nur alle acht Jahre stattfinden.

Sie treffen für den ÖRK Politiker und Kirchenleiter aus der ganzen Welt. Auf wen freuen Sie sich am meisten?
Was mich am meisten begeistert sind die Begegnungen mit den ganz normalen Menschen, die die Kirchen tragen, nicht die mit den Promis. Die Herzlichkeit, mit der sich Christenmenschen auf der ganzen Welt begegnen, weil sie den einen Herrn Jesus Christus haben, beglückt mich immer wieder. Darüber hinaus: Mit dem Papst verbindet mich bereits eine herzliche Beziehung, ebenso mit dem Patriarchen von Konstantinopel oder dem Erzbischof von Canterbury als Oberhaupt der Anglikaner. Den UN-Generalsekretär kenne ich noch nicht, da bin ich sehr gespannt. Und dann gibt es natürlich auch schwierige Treffen. Aber auch da will ich versuchen, Brücken zu bauen hin zu einem echten Frieden. Darin sehe ich auch eine Aufgabe des ÖRK.

Beim Treffen des Weltkirchenrates in Karlsruhe ging es vor allem um grosse Politik: Ukrainekrieg, Klimawandel usw. Was würden Sie sagen, ist heute die vorrangige Aufgabe des ÖRK?
Christus bezeugen. Es geht nicht vorrangig um Politik, es geht darum, die Not von Menschen zu sehen. Und die hat oft politische Ursachen. Wenn wir uns also dafür einsetzen, dass diese Ursachen überwunden werden, dann ist das ein Christus-Zeugnis. Beten, Christus ins Zentrum rücken, damit wir Kraft zur Versöhnung bekommen und alles tun, was wir können, um menschliche Not zu überwinden, darum geht es. Das eine lässt sich nicht vom anderen trennen. Wer fromm ist, muss auch politisch sein.

Sie haben eben darauf hingewiesen, dass nicht jede Begegnung leicht sein wird – vermutlich auch im Hinblick auf die Ökumene. Mit wem fällt es Ihnen besonders schwer?
Die Tatsache, dass die russisch-orthodoxe Delegation an der Vollversammlung in Karlsruhe teilnehmen konnte, war angesichts des Krieges in der Ukraine keine Selbstverständlichkeit. Ich selbst habe mit einigen Haltungen innerhalb der Delegation zu dem Konflikt allergrösste Probleme. Dennoch habe ich mich dafür eingesetzt, dass die russischen Geschwister nicht ausgeschlossen wurden. Und das war richtig. An keiner Stelle der Vollversammlung gab es Propaganda für Putin, wie einige befürchtetet haben. Es gibt innerhalb der russisch-orthodoxen Kirche Geistliche, die mit Putins Angriff konform gehen, andererseits aber auch viele, die mit grosser Sorge auf den Krieg schauen und ihn kritisch sehen. Innerhalb der Delegation gab es Menschen, die den Krieg nicht unterstützen. Ich habe bei ihnen viel Nachdenklichkeit erlebt. Und auch eine Distanz zu Putin. Natürlich können sie das nicht laut sagen. Es nützt niemandem, wenn diese Menschen ins Gefängnis kommen. Umso mehr bin ich davon überzeugt: Es wäre das Falscheste, die Beziehungen abzubrechen. Wir müssen den Krieg laut und deutlich verurteilen, wie es die Vollversammlung getan hat. Aber wir müssen auch miteinander reden. Ich bin mir sicher, dass die Delegierten durch die Begegnungen anders nach Russland zurückgefahren sind, als sie gekommen sind.

Miteinander reden, auch nach der Teilmobilmachung Russlands und damit der nun erreichten neuen Eskalationsstufe im Konflikt?
Die Teilmobilmachung ist ein Zeichen des Misserfolgs für Putin. Er hat diesen Schritt lange gescheut, weil nun ganz normale Bürger Russlands in den Krieg ziehen müssen. Das könnte durchaus dazu führen, dass mehr Russen den Krieg ablehnen. Zumindest ist das meine Hoffnung. Genau jetzt müssen wir deshalb die Gesprächskontakte intensivieren, auch um den putinkritischen Teil der Zivilbevölkerung zu stärken. Die beste Chance, dass diese Gewalt überwunden wird, liegt in Russland selbst.

Erwägt der Weltkirchenrat, hier als Diplomat aufzutreten, also die Gesprächskanäle nicht nur offen zu halten, sondern sogar zu fördern?
Das ist eine Möglichkeit, aber sie muss wohlüberlegt sein. Der ÖRK darf niemals für russische Propaganda missbraucht werden. Deshalb würden sich solche Bemühungen auch nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielen.

Was sagen Sie Menschen, die jetzt Angst vor einem Atomschlag haben?
Lesen Sie in der Bibel! «Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.», steht im 2. Timotheus, Kapitel 1, Vers 7. Lassen Sie das in Ihre Seele einsickern, durch Gebete und Gespräche mit anderen. Das Volk Israel war immer wieder verzweifelt – im babylonischen Exil oder in Ägypten – aber Gott hat es jedes Mal aus dem Leid herausgeführt. Er hat Jesus Christus auferweckt vom Tod, nachdem er schrecklich gelitten hat. Gott hat den Tod besiegt! Wenn Menschen heute leiden, in den Bombentrichtern schreien, dann ist Jesus genau da, denn er kennt das Leid. Wir wissen, er ist auferstanden. Deshalb muss niemand rettungslos verzweifeln.

Dieser Artikel erschien zuerst bei PRO Medienmagazin

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Datum: 29.09.2022
Autor: Anna Lutz
Quelle: PRO Medienmagazin

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