Luther in heutigem Deutsch

«Martin reloaded»

Mitten in der Lutherdekade, die noch bis 2017 gehen wird, ist ein Buch erschienen, das dem Reformator wohl gefallen hätte. «Martin reloaded – Luthers Schriften für alle» tut genau das, wofür er sich zeitlebens eingesetzt hat: zentrale Wahrheiten weitergeben und dabei «dem Volk aufs Maul schauen».

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Der freie Theologe Martin Dreyer, bekannt für die «Jesus Freaks»
Zugegeben: Es ist ein Abschied von der Feierlichkeit. Doch die hatte Autor Martin Dreyer (49), der Gründer der Jesus Freaks und Initiator der «Volxbibel» sowieso nicht im Blick. Die beiden Namensvettern trennen zwar 500 Jahre, aber die Sehnsucht, Gottes Wort für jeden verständlich weiterzugeben, vereint sie.

Luther volxtümlich

Schon das Cover von «Martin reloaded» macht in seiner Knitteroptik einen zeitgemässen und interessanten Eindruck. Und mit seinem Untertitel «Luthers Schriften für alle» erhebt das Buch bereits einen klaren Anspruch auf Verständlichkeit. Und – direkt gesagt – es erreicht sie auch. Sprachpuristen und Liebhaber alter Formulierungen wie das «wider den Stachel löcken» werden sich für den modernisierten Luther kaum erwärmen können. Wer aber einen neuen oder vielleicht ersten Zugang zu Basistexten des Reformators sucht, wird ihn finden. Frisch, direkt, unverschnörkelt, einfach, salopp und manchmal derb kommt der neue Luther daher. Das Ergebnis liest sich verständlich. Und selbst dann noch flüssig, wenn man den «alten Luther» im Ohr hat.

Die Vorrede zum Kleinen Katechismus beginnt zum Beispiel so: «Hallo! Als Erstes wünsche ich euch voll, dass ihr Gottes bedingungslose Liebe erfahrt. Er kennt das Leben, er fühlt mit uns. Und durch den Glauben an Jesus Christus bekommen wir einen unbeschreiblichen Frieden in unsere Denke. Dieses Grundlagenbuch über den Glauben in gut verständlichem Deutsch zu schreiben, ist mir total wichtig. Erst vor Kurzem musste ich wieder feststellen, dass viele einfache Leute ohne grosse Schulbildung von der christlichen Lehre so gut wie gar nichts gecheckt haben …» Willkommen in der Gegenwart! Hier trifft nicht nur die Sprache den richtigen Ton, auch das gesellschaftliche Umfeld ist unserem erstaunlich nah.

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Das Buchcover von «Martin reloaded»

Texte, die «Kante» zeigen

Dreyers Buch enthält den Kleinen Katechismus und einige Abhandlungen, zum Beispiel über die Freiheit des Christen, die Ehe und den Gottesdienst. Ausserdem Briefe, Liedtexte und einige der Thesen. Die Texte sind dabei zum Teil «übersetzt», zum Teil auch thematisch aufgegriffen und «kreativ nachverfasst». Im Medienmagazin Pro schrieb Pfarrer Gerrit Hohage lobend: «Das Buch wird zur modellhaften Anregung, wie man in der heutigen Zeit ausdrücken kann, was evangelisch ist. Das hilft hoffentlich manchen Pfarrern und Ehrenamtlichen bei der Überwindung der protestantischen Sprachlosigkeit, und zwar auch dann, wenn man das eine oder andere zwar einfach, aber doch etwas gehobener ausdrücken möchte.»

Auch wenn «Martin reloaded» sicher nicht jedermanns Geschmack ist – verwässert oder relativiert wird Luthers Botschaft hier in keiner Weise. Wie im Original ist von Himmel und Hölle genauso die Rede wie von Nachfolge und ihren Kosten. Die Botschaft mag moderner klingen, doch sie ist nicht «Luther light».

Neu und doch in guter Tradition

Durch den Abstand der Jahre wirkt Luthers Sprache oft eher abgeklärt als wild und direkt – und hat damit einen Teil ihrer Wirkung eingebüsst. Wer einen modernen Zugang zu Luthers Gedanken sucht, wer sie vielleicht selber zeitgemäss formulieren möchte, der findet hier gute Anregungen. Denn es lohnt sich immer noch, Martin zuzuhören!

Zum Buch:
Martin reloaded – Luthers Schriften für alle
Schweiz
Deutschland

Zum Thema:
Luther als Playmobilfigur: Reformator Martin Luther ist bereits vergriffen
Comic-Film-Projekt ausgezeichnet: Glaube und Reformation verständlich erklärt
Oft gehört, neu verstanden: All you need is love – wirklich?

Datum: 19.02.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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