Stunde der Wahrheit

Radikaler Politislamist neuer Chefideologe von Erdogan

Noch rätselt die internationale und besonders europäische Öffentlichkeit über die Hintergründe des neuen Repressionskurses von Ministerpräsident Tayip Erdogan und seiner religionspolitischen Kehrtwende. Doch diese hat einen Namen: Hayrettin Karaman.

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Recep Tayyip Erdoğan
Seit über zehn Jahren hatte sich der Regierungschef als reformfreudiger Muslimpolitiker und Freund der jahrzehntelang bedrängten Minderheiten gebärdet, ob es armenische, griechische und syrische Christen, Alevi-Muslime oder auch die Kurden waren. Erdogan und seine «Partei für Gerechtigkeit und Fortschritt» (AKP) erhoben sogar den Anspruch, den abendländischen Christdemokraten ebenbürtige Islam-Demokraten zu sein.

Im letzten Sommer schlug alles ins Gegenteil um. Das angekündigte Massnahmenpaket zur Wiedereröffnung der seit 42 Jahren gesperrten orthodoxen Theologischen Hochschule Chalki oder zur öffentlichen Anerkennung evangelischer Kirchen und des römischen Katholizismus wurde aufs Eis gelegt. Dafür wird eine «Museumskirche» aus der säkulären Atatürk-Zeit nach der anderen wieder in eine Moschee verwandelt. Gleichzeitig legte sich Erdogan mit seinem bisherigen Ratgeber Fethullah Gülen an, der einen recht toleranten Reformislam vertritt.

An seine Stelle ist schon 2013 in aller Stille der radikale Islamist Hayrettin Karaman getreten. Als Erdogans Hausideologe tritt er aber erst neuestens öffentlich auf. Das Rätsel um den politischen Frost in Ankara löst sich jetzt mit den Leitartikeln, die Karaman im Regierungsorgan Yeni Safak schreibt, der «Neuen Morgendämmerung». Seine grosse Kolumne vom 13. Februar liess überhaupt keinen Zweifel mehr daran, was in der Türkei jetzt bevorsteht und was von Erdogans Beteuerungen europäischer Gesinnung fortan zu halten ist. Denn Scharfmacher Karaman darf amtlich verkünden: «Fromme Muslime können eine Integration der Türkei in die EU nicht akzeptieren. Der Widerstand gegen alles Christlich-Abendländische ist für uns eine Glaubensfrage!».

Nicht minder brutal geht Karaman die Religionsfreiheit für Nicht-Muslime in der Türkei an: «Sofern diese sich vom islamischen Glauben und seiner Moral unterscheiden, werden wir ihnen weder im Namen von Demokratie noch von Menschenrechten Konzessionen machen». Dafür hat die türkische Religionsbehörde Erdogans neuen Parteiideologen nun mit einem Sonderpreis ausgezeichnet.

Zum Thema:
Von EU-Standards weit entfernt: Religionsfreiheit im Krebsgang
Die geraubte Universität: Der Ehrendoktor für den Patriarchen kann das Unrecht nicht kaschieren
Prediger Gülen: Ein Islam, der nicht nach der Macht strebt

Datum: 17.02.2014
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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