«Schneeballprinzip»

Berlin: Hunderte Flüchtlinge konvertieren vom Islam zum Christentum

Mehrere hundert Iraner und Afghanen haben sich in den vergangenen Jahren in der lutherischen Kirche in Berlin-Steglitz taufen lassen. Sie sind Flüchtlinge. In ihren Heimatländern droht ihnen Verfolgung und Tod.

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Die Evangelisch-Lutherische Dreieinigkeitskirche Berlin-Steglitz
Die «Berliner Zeitung» berichtete es am 9. Februar: Die altlutherische Gemeinde von Pfarrer Gottfried Martens im Berliner Ortsteil Steglitz ist mittlerweile zu einer echten «Flüchtlingskirche» geworden. Praktisch jeden Sonntag ist die Kirche voll – auf der Empore verfolgen einige Männer den Gottesdienst sogar im Stehen. Ein grosser Teil der Besucher stammt aus dem Iran, andere aus Afghanistan. «Sie haben sich vom Islam abgewandt und sich taufen lassen», so der Bericht. «In ihren Heimatländern steht darauf Gefängnis oder gar die Todesstrafe.» Einige sind bereits als Flüchtlinge in Deutschland anerkannt, andere warten noch auf ihr Asylverfahren. In der Kirche von Pfarrer Martens haben sie «eine Art geistige Heimat» gefunden: Die Zahl der Konvertiten ist so gross, dass sich die Dreieinigkeitskirche im Januar als Gemeinde selbstständig gemacht hat.

Mund-zu-Mund-Propaganda

Dass die Kirche in Steglitz eine Flüchtlingsgemeinde wurde, sei eher zufällig geschehen. Im Jahr 2008 seien zwei getaufte iranische Flüchtlinge aus Leipzig nach Berlin gezogen und hätten sich der Gemeinde angeschlossen. Nach einer Weile kamen neue dazu, und durch Mund-zu-Mund-Propaganda wurden es immer mehr. «Dann setzte allmählich das Schneeballprinzip ein», erzählt Martens. Die Gemeinde zählt heute 500 Flüchtlinge, drei viertel davon aus dem Iran und ein viertel aus Afghanistan. Etwa 350 von ihnen hat Pfarrer Martens selbst getauft.

Freude, Versöhnung und Erlösung statt Gewalt und Zwang

Im Iran gibt es seit fast 15 Jahren eine stark wachsende christliche Untergrundbewegung, die vorwiegend in Hauskirchen organisiert ist. Viele Iraner in Steglitz hatten bereits daheim Kontakt zu dieser Untergrundkirche, auch wenn sie sich erst in Deutschland taufen liessen. Der 38-jährige Hamid erzählt, er habe zweimal die ganze Bibel auf Farsi gelesen; der 44-jährige Samuel ergänzt, der Geheimdienst habe ihn wegen seiner christlichen Überzeugung zwingen wollen, für ihn zu spitzeln. Wenn man die Flüchtlinge nach den Gründen fragt, warum sie Christen geworden sind, sind die Antworten recht einhellig: Der Islam, so sagen sie, stehe für Gewalt und Zwang, das Christentum für Freude, Versöhnung und Erlösung. Und die 41-jährige Katharina beklagt, dass Frauen im Islam nicht die gleichen Rechte wie Männer hätten.

«Messias statt Mohammed»

Bereits im Juni letzten Jahres hatte die Zeitung «Der Tagesspiegel» unter diesem Titel am Beispiel von Elia Hosseini aus dem Iran über die Bekehrung vieler Flüchtlinge in Berlin berichtet. «Wir spüren, dass die Menschen ein grosses Interesse am Christentum haben», hielt Pfarrer Martens fest. «Mir gefällt am Christentum, dass ich nicht gezwungen bin, irgendwelche Gebete zu sprechen oder in einen Gottesdienst zu gehen», sagt Elia Hosseini. «Ich kann es freiwillig tun.» Im Islam sei dagegen genau vorgegeben, wann man welches Gebet sprechen muss. Er fährt fort: «In unserer Kirche haben die Menschen Freude an ihrer Religion, sie singen fröhlich im Gottesdienst. In der Moschee im Iran mussten wir manchmal sogar weinen.»

Nicht nur in Steglitz

Die Landeskirchliche Gemeinschaft in Berlin-Neukölln erlebt dasselbe Phänomen. Immer mehr Iraner interessieren sich für den christlichen Glauben, besuchen den Taufunterricht, lassen sich taufen – und bleiben in der Gemeinde aktiv. «Mittlerweile haben die Iraner in unserem Gottesdienst fast alle Aufgaben übernommen», sagt Diakonisse Schwester Rosemarie. «Sie begrüssen die Menschen, teilen Gesangbücher aus, sammeln die Kollekte und lesen die Bibeltexte.» Einige seien auch als Flüchtlinge anerkannt und hätten einen Job gefunden.

Asyl-Spezialist geworden

Afghanistan und Iran gehören laut dem christlichen Hilfswerk Open Doors zu den zehn Ländern, in denen Christen am stärksten verfolgt werden. Auf dessen «Weltverfolgungsindex 2015» rangieren sie auf den Plätzen 5 und 7. Es sei aber absolut nicht richtig, dass die Menschen nur Christen würden, um als Flüchtlinge anerkannt zu werden, hält Pfarrer Martens fest: «Über 90 Prozent von denen, die ich getauft habe, sind unserer Gemeinde treu geblieben. Nur eine Handvoll sind nicht mehr aufgetaucht.» Der Pfarrer habe sich inzwischen zu einem «Spezialisten für die Fallstricke des deutschen Asylrechts entwickelt», schliesst der Tagesspiegel. Oft müsse er in Gerichtsverhandlungen als Zeuge aussagen. «Wir versuchen alles, damit die Menschen in Deutschland bleiben können», sagt Martens. Das gehe in einzelnen Fällen bis zum Kirchenasyl. «Denn wir wissen: Wer als Christ in den Iran zurückkehrt, auf den wartet im günstigsten Fall Verfolgung.»

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Datum: 16.02.2015
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Berliner Zeitung

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