Junge auf dem Absprung

Von der «Seniorenkirche» zur «Jugendkirche» - aber wie?

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Immer weniger junge Menschen fühlen sich in der evangelischen Kirche Deutschlands zu Hause, immer mehr planen ihren Austritt. Das geht aus der aktuellen Emnid-Studie im Auftrag der EKD «Engagement und Indifferenz» hervor. Unterschiedlich bewertet wird dabei, ob für einen Kurswechsel marginale Veränderungen reichen oder ein radikaler Neustart nötig ist.

Das kaum überraschende Ergebnis der repräsentative Studie ist, dass die EKD «vor einem massiven Problem in der Überzeugungsarbeit Jugendlicher und junger Erwachsener» steht. Dies unterstreicht die regelmässig alle zehn Jahre durchgeführte Studie deutlich.

Auf dem Weg zur «Seniorenkirche»

Während sich bei den über 66-jährigen Mitgliedern 58 Prozent ihrer Kirche verbunden wissen, sind es bei den 14- bis 21-Jährigen nur 22 Prozent. 19 Prozent haben darüber hinaus eine feste Austrittsabsicht. Je jünger die Befragten sind, umso seltener geben sie an, dass sie religiös erzogen wurden. So konstatiert die Studie: «Fehlende religiöse Erfahrungen, kombiniert mit abnehmendem religiösen Wissen, führen möglicherweise dazu, dass vielen (gerade jüngeren) Menschen ein Leben ohne Religion als selbstverständlich erscheint und dass dementsprechend die Bereitschaft, wiederum eigene Kinder religiös zu erziehen, erkennbar sinkt.» Ähnliches gilt für den Gottesdienstbesuch. 22 Prozent (immerhin 12 Prozent mehr als vor zehn Jahren) besuchen nie einen Gottesdienst. Viele gehen darüber hinaus kaum in die Kirche. Die Studie unterstreicht: «Fast jedem zweiten Kirchenmitglied kommt der Kirchgang nicht einmal mehr als sporadische Möglichkeit in den Sinn.»

Unterschiedliche Bewertung

Nikolaus Schneider, der Vorsitzende des Rates der EKD, sah zwar keinen Anlass zu kirchlicher Selbstberuhigung, andererseits sei die evangelische Kirche nach wie vor eine Quelle für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ehrenamtliches Engagement für das Gemeinwesen.

Deutlicher wurde ein Regionalbischof der hannoverschen Landeskirche, Burghard Krause, der zwar von «glänzenden Aussichten» der Kirche sprach, aber gleichzeitig unterstrich, dass diese in der jetzigen Form und Struktur nicht umsetzbar seinen.

Trotz kritischer bis positiver Würdigung der Untersuchungsergebnisse bleibt der Eindruck, dass hier eine Kirche ihren Untergang untersucht und beschreibt, aber nicht die Kraft und den Willen hat, etwas dagegen zu tun.

80 Prozent der Bekehrungen vor dem 25. Lebensjahr

Veränderung scheint eher vom Rande der traditionell verfassten Kirche zu kommen, von Ansätzen, die junge Menschen tatsächlich erreichen können. Alexander Garth, Gründer der Jungen Kirche Berlin, betont, dass jede missionarische Bewegung vor allem eine Jugendbewegung sein müsse – immerhin geschehen 80 Prozent aller Bekehrungen vor dem 25. Lebensjahr. Garth sieht als einzige Möglichkeit, um diese jungen Menschen zu erreichen, den Abschied von bisherigen Formen und Methoden.

«Die Jugendlichen bestimmen den Stil! Jugendliche müssen frei gesetzt werden, das Evangelium in ihrer Kultur vollmächtig zu verkündigen und in ihre kulturelle Sprache umzusetzen», unterstreicht er in seinen «29 Thesen zu Jugend und Kirche», die die Junge Kirche Berlin auch umsetzt. Er fordert Kirche und Gemeinde heraus: «Junge für das Reich Gottes begeisterte Menschen müssen wieder zur geistlich-missionarischen Speerspitze der Kirche werden, oder aber die Kirche verbürgerlicht und sklerotisiert weiter im Mittelmass betulicher Anständigkeit.»

Webseite:
29 Thesen von Pfarrer Alexander Garth

Zum Thema:
Gesellschaftlicher Wandel: Gesucht: Milieu-Missionare
Kirche bei den Leuten: Erste Ladenkirche der Schweiz eröffnet
Professor Härle: Was Kirchgemeinden attraktiv macht

Datum: 10.03.2014
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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