Gemeinsam anfassen

Christen in Ägypten suchen Alternative zu Waisenhäusern

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Auf der Konferenz in Kairo (Bild: Barbara Rüegger)
Zusammen geht es besser: Das fanden die Teilnehmer eines Treffens in Kairo heraus, die sich drei Tage lang überlegten, wie man Kindern in Not in Ägypten anders helfen kann als sie in Waisenhäuser zu bringen. Barbara Rüegger war beim Treffen dabei.

In Ägypten ist die grösste christliche Gemeinschaft im Nahen Osten, die Kopten, zuhause. Etwa zehn Prozent aller Ägypter (10 Mio.) gehören dieser koptischen Kirche an. Daneben gibt es auch verschiedene orthodoxe, katholische und evangelische Kirchen, darunter auch die Anglikanische Kirche. Mitte Juli traf sich eine Gruppe von etwa 45 Christen aus den verschiedensten Kirchen im Zentrum der anglikanischen Kirche in Kairo zu einer Konferenz. Diese Christen arbeiten alle in verschiedenen Organisationen, welche sich um Kinder in Not kümmern, seien es Strassenkinder, Kinder in Slums oder in den Dörfern.

Eingeladen wurden sie von zwei Mitarbeitern einer Organisation, die eine ganzheitliche Vision für das Leben hat. Gegründet wurde diese von einer Frau, die den Menschen in Not in ihrem Land begegnen wollte. Sie erzählte, dass die Gründung der Organisation ganz einfach an ihrem Esszimmertisch geschah. Mitarbeiter arbeiten heute an verschiedenen Orten Ägyptens und bilden unter anderem Bäuerinnen aus, wie sie ihre Felder besser bearbeiten und bewässern können, um mit einem grösseren Ertrag die Familie unterhalten zu können.

Für Kinder gibt es verschiedenen Programme wie Hausaufgabenhilfe, Kinderclubs oder eine Kita in der Garbage City (der Abfallstadt). Alle Bewohner dieses Quartiers verdienen ihr Einkommen damit, den Abfall der Riesenstadt Kairo zu sammeln und zu verwerten. Da viele dieser Abfallsammler-Familien arm sind, landen ihre Kinder manchmal auch in einem Waisenheim, da sie dort Verpflegung und Schulunterricht bekommen. Viele Christen in Ägypten sehen Waisenhäuser immer noch als die einzige Lösung für Kinder in Not an und es ist oft sehr schwer, sie vom Gegenteil zu überzeugen, da es auch einfach ist, für diese Waisenhäuser finanzielle Unterstützung zu bekommen. Viele Waisenhäuser sind Kirchen angeschlossen und werden von Priestern geleitet.

Es soll anders werden

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Barbara Rüegger
Zwei Mitarbeiter aus dem Projekt in der Abfallstadt wussten aus ihrer eigenen Arbeit in Waisenhäusern, dass diese oft kein guter Ort für Kinder sind. Sie starteten ein Projekt, um dies zu ändern. Ihre Idee war, entweder die Familien der Kinder zu stärken und zu unterstützen, damit die sie wieder nach Hause zurückkehren können, oder für Kinder, die wirklich niemanden mehr haben, Pflegefamilien zu suchen.

In Ägypten ist die Adoption von Kindern, welche keine Eltern mehr haben, nicht möglich. Der Islam erlaubt es nicht, dass ein fremdes Kind in die Familie aufgenommen wird und den Familiennamen erhält. Aber seit einiger Zeit gibt es etwas, das im Islam Kafala genannt wird und es erlaubt, Kinder in Langzeitpflege aufzunehmen. Das wollten diese beiden Mitarbeiter nutzen und entwickelten ein Projekt. Sie waren sich bewusst, dass sie dies nicht alleine machen können und luden darum christliche Mitarbeiter aus diversen Organisationen zu dieser Konferenz ein.

«Das haben wir noch nie erlebt»

Gleich zu Beginn sagte eine der Teilnehmerinnen, die selber zwei Pflegekinder bei sich aufgenommen hat, dass sie seit 15 Jahren dafür gebetet hätte, dass so etwas geschehen würde. Viele Teilnehmende sagten auch, dass sie noch nie eine Konferenz erlebt hätten, wo Leute aus den verschiedensten Kirchen und Organisationen zusammen gekommen seien mit einem einzigen Ziel: gemeinsam Kindern in Not zu helfen, in einer Familie aufwachsen zu können.

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Das Treffen in Kairo, Ägypten (Bild: Barbara Rüegger)
Durch Videos und Präsentationen lernten die Teilnehmenden, wieso es für Kinder nicht gut ist, in einem Heim aufzuwachsen und warum eine stabile Familie so wichtig ist. Für einige war dies ganz neu und sie gingen mit einem neuen Verständnis nach Hause und der neuen Überzeugung, dass der beste Platz für Kinder die Familie ist.

Aus etwas Kleinem wird etwas ganz Grosses

Verschiedene Teilnehmende bekamen bei der Konferenz die Gelegenheit, die Arbeit ihrer Organisation vorzustellen. Einer von ihnen konnte so allen das Kafala-System erklären, mit dem seine Organisation bereits arbeitet, und auch die Schritte, die es braucht, bis ein Kind in einer Familie aufgenommen werden kann. Von ihm hörten die Teilnehmer auch, dass die ägyptische Regierung Interesse daran habe, dass Kinder in Familien und nicht in Heimen aufwachsen, und er mit seiner Organisation bereits mit der Regierung zusammen arbeite. Das eröffnete den Teilnehmenden ganz neue Perspektiven, auch dafür, wie sie mit den Kirchen, die oft die Waisenhäuser leiten, zusammen arbeiten könnten.

Es wurde allen bewusst, dass sie wohl mit dieser Konferenz Teil von etwas Grösserem werden, und sie zum Wohl der Kinder Einfluss nehmen können in ihren Kirchen. Das Team aus vier verschiedenen Organisationen, welches sich am Ende der Konferenz bildete, begann über Schulungen und Konferenzen für Priester und Pastoren zu sprechen, um diesen zu helfen, das Kafala-System zu verstehen und Wege aufzuzeigen, wie Kinder in Familien statt in Heimen aufwachsen könnten. Es ist sicher noch ein langer Weg, den dieses Team, zusammen mit den anderen Teilnehmenden gehen muss, bis auch in Ägypten viele Kinder in Pflegefamilien aufwachsen können. Aber es war allen klar, dass sie etwas von Gott Gewirktes erlebt hatten.

Um die Teilnehmenden zu schützen, werden weder Organisationen noch Mitarbeiternamen genannt. Diese sind der Redaktion bekannt.

Zum Thema:
Kurzzeiteinsätze: Wenn Gutes tun nicht so gut ist
Falsche Auffassung: «Christen in Ägypten leben mit riesiger Freiheit»
Lage ändert sich: «Christen werden in Ägypten besser behandelt»

Datum: 28.07.2022
Autor: Barbara Rüegger
Quelle: Livenet

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