Nach den Wahlen in Italien

Ein Plädoyer für den Dialog

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Giorgia Meloni (Bild: Facebook)
Hat Italien «falsch» gewählt?, fragt sich Ulrich Eggers. Wofür genau steht Frau Meloni? Er plädiert dafür: Erst genau hinsehen, dann mitreden. Ein Kommentar des ehemaligen Geschäftsführers der SCM Verlagsgruppe.

Italien und Frau Meloni – was für ein Thema in den Medien! Ich habe bisher wenig gehört von ihr, kenne sie nur durch den deutschen Medien-Mainstream: Und da regiert die grosse kollektive Sorge. «Wir» müssen demnach sehr kritisch auf dieses Wahlergebnis schauen, da «droht» auf jeden Fall was…

Mich nervt diese Art der Berichterstattung, die mir schon von vornherein «ganz neutral» vorsetzen möchte, wie ich zu denken habe, weil «wir» so denken (müssen?) oder «natürlich» und «ganz selbstverständlich» so denken, oder? 

Vorgeschriebenes Denken

Automatisch erfahre ich damit nicht mehr die Bandbreite der Meinungen über diese Frau (das wäre ja völlig okay und wichtig!), sondern eine «vom gesunden Mehrheitsempfinden der Deutschen» erwartete Haltung: «Na, was da in Italien läuft, das ist ja blöd, gefährlich, bedrohlich!» usw. Dabei geht es erstmal nur um das Mehrheitsempfinden vieler deutscher Medien, die mir das warm ans Herz legen, wie ich zu denken habe – und zwar von meiner Tageszeitung bis hin zum Radiosender oder sonstigen Stimmen.

Wenn ich dann tiefer nachforsche, warum diese Frau so gefährlich sei, höre ich vom Vorwurf des Post-Faschismus (klingt immer schlecht, scheint aber eher nicht zuzutreffen…) und erfahre, dass sie katholisch (huch!), wirklich gläubig (ach je!), gegen Abtreibung (boah, ey!) ist – und naja, sich allerdings relativ positiv zur EU und gegen Putin geäussert habe (ach, echt?). Was sie zu Immigration und Asyl sagt, gefällt mir oft nicht (allerdings lebe ich weit weg von Italien…), aber ich höre es ja auch erstmal nur oberflächlich.

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Ulrich Eggers (Bild: SCM Hänssler)
Allerdings – mit geringem Wissen, also grosse Vorsicht wiederum bei meiner Bewertung: Was ich insgesamt höre, scheint mir so, dass die Frau vermutlich auch in der CSU sein könnte, eine bunte Konservative, die stark auf die italienische Befindlichkeit reagiert.

Das Vergehen, Dinge anders zu sehen

Was mich einfach ärgert: Dass ich in der Mehrheit unserer Medien ganz schnell das höre, was man in unserem eher links-liberalen Mainstream so hört: Polen? Ganz schlimm! Ungarn? Noch schlimmer! Italien? Jetzt auch! Warum denn genau? Und was sagt mir das als Christ, wenn sich etwa katholische Christen dort nicht automatisch dem Programm einer liberalen Agenda fügen wollen?

Doch erstmal nur, dass sie da Dinge anders sehen – und das scheint in unseren Medien ein echtes Vergehen, weil «wir» ja alle «das alles» anders sehen – weil man das natürlich doch alles anders sehen muss! Muss man? Alles? Was genau muss man anders sehen? Warum genau ist was verkehrt? Stimmen wir einfach so ein, wenn «man» in Deutschland heute so denken muss? Ich hoffe nicht – gerade als Christen nicht! Sondern fragen hoffentlich nach, hören genauer hin, differenzieren, informieren uns (was gar nicht so einfach ist…).

Eine eigene Meinung bilden

Eine gute Quelle wären Christen in dem Land – etwa von Partnerbünden der Kirchen, in denen wir selbst aktiv sind. Mir scheint wichtig, dass wir uns das leisten. Dass christliche Medien das leisten – gerade sie. Sie sollten nicht das intuitive Gegen-Modell zu den liberalen Medien sein (selektiver Blick mit konservativer Brille und dann schön viel selektive Gegen-Information, die am Ende nur zu Verdrossenheit statt Klarblick führt…), sondern möglichst neutral und sachlich Stimmen beider Seiten hören und aus christlicher Sicht bewerten.

Wenn wir als Christen nicht sofort auf den Zug springen wollen, den «man» heute zu fahren hat, weil «wir» heute so denken, dann ist es dringend nötig, sich selbst eine tiefer sehende Meinung zu bilden.

Und Achtung! Dies ist kein Persilschein für Frau Meloni oder Herrn Orban und alle polnischen Ambitionen – man muss die Dinge im Einzelnen bewerten. Das kann ich aber gar nicht, dazu bin ich zu wenig informiert.  

Aber ich bin genug informiert, um zu wissen, dass ich und etwa meine Kirche in den deutschen Medien zum Beispiel auch als potenziell gefährlich, arg konservativ und sehr am Rand gesehen werden – denn wir «glauben ja richtig» und sind vielleicht auch gegen Abtreibung (aber hoffentlich sehr für Frauen in Not!) und für Familie (wie Frau Meloni)… und was immer man sonst diesen komischen Christen unterstellen kann…

Genau hinschauen

Bitte genau hinschauen, bevor wir einfach mitreden: In Deutschland gibt es wenig neutrale Absender, sondern viele Nachrichten sind gefiltert durch ein mediales Vorverständnis des jeweiligen Absenders, wo denn «für uns» das Nord auf dem Kompass sein muss. Mindestens also immer sich zuerst fragen: Wie ist die Haltung dessen, der mir gerade eine Botschaft vermittelt? Wo ist für ihn Nord – und was muss ich deshalb relativierend mitdenken?

Mich würde ja sehr interessieren, wie Thomas Härry das ganze Thema mit der Schweizer Brille und gefiltert durch seine Medien und die direkte Nachbarschaft sieht. Aber, der ist gerade in Paraguay im Chaco unterwegs, grillt dicke Rinder-Steaks, reitet durch den Chaco und unterrichtet nebenbei Studenten und christliche Unternehmer mit seinen wichtigen Impulsen für Führungskräfte. Bin gespannt, was er erzählt.

In einem neuen Post nimmt Ulrich Eggers Stellung zu vielen kritischen Kommentaren und Fragen und stellt klar, dass er nicht einfach oberflächlich mit allem einverstanden ist, was Frau Meloni repräsentiert. Seine ausführliche Erklärung finden Sie hier.

Zum Thema:
Rentenreform: Plädoyer für eine Neubesinnung unter der Bundeshauskuppel
Groteske Verharmlosung: Nigerias Regierung leugnet Christenverfolgung
Überraschende Studie: Protestanten und Katholiken sind sich immer ähnlicher

Datum: 30.09.2022
Autor: Ulrich Eggers
Quelle: Facebook

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