Innovative Gemeinden

In der Spannung zwischen Herausforderung und Support

Roger Keller leitet Vineyard Lakeside in Kreuzlingen. Wir fragten ihn über das Geheimnis der Anziehungskraft seiner Gemeinde.

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Roger Keller
Livenet: Roger Keller, was macht Ihnen am meisten Freude an Ihrer Gemeinde?
Roger Keller: Die Leidenschaft unserer Leute für das Reich Gottes und die Ehrlichkeit in den Beziehungen.

Wo sehen Sie die grössten Chancen für die Entwicklung Ihrer Gemeinde?
Wir sind sehr klar in der Vorgehensweise, arbeiten mit transparenten und definierten Prozessen in den Bereichen von leidenschaftlicher Spiritualität, radikaler Gemeinschaft und den missionarischen Zielen. Weil wir nur alle zwei Wochen Gottesdienste feiern, gibt es Freiraum für Menschen, die Jesus noch nicht kennen. Von daher müssen wir einfach dran bleiben. Es ist ein Weg des langen Gehorsams. Die Entwicklung führt zu reifen und gesunden Nachfolgern, die multiplizieren können, was ein Bewegung auslösen kann. Die Chance liegt in einer lokalen Erweckung.

Gibt es in Ihrer Gemeinde Barrieren für neue Besucher, die abgebaut werden müssten?
Wir bauen in erster Linie über die Jüngerschaft und nicht mit dem Gottesdienst. Gemäss des Auftrags, den Jesus uns gab. Hier haben wir eine echte geistlich kulturelle Barriere zu durchbrechen, da Christen und Menschen mit einem christlichen Hintergrund eher an eine Event-, Begabungs- und konsumorientierte Gemeinde gewohnt sind (provider/client-Verhältnis).

Die Dynamik zwischen organisierter Kirche und organischem Leben ist eine Herausforderung für uns alle. In unseren «Huddles» (Jüngerschaftsgruppen) fragen wir uns alle zwei Wochen: Was hat Gott dir gesagt und was tust du damit? Wo zeigt sich die Gnade Gottes in deinem Leben? Diese intensive Dynamik der Reflektion ist nicht jedermanns Sache. Die Nachfolge hat ihren Preis, und diese Barriere – der lange Weg des Gehorsams aus einer gesunden Identität heraus – lassen wir bewusst stehen. Die kulturelle Relevanz liegt für uns in Jesus und der Gegenwart des Heiligen Geistes. Diese Atmosphäre zieht suchende Menschen an, und anderen kommt es dann wieder zu nah. Wir arbeiten bewusst mit der Spannung von Herausforderung und Support. Die Barriere hier ist eher geistlicher Natur, und die Besucher oder wir selbst bringen sie mit. Einen Gottesdienst freundlich und psychosozial verträglich – lockere alltagsrelevante Moderation, gute Musik, catchy Predigt, gelungenes Kinderprogramm, Lounge etc. – zu gestalten, indem man gut erklärt, was passiert, ist aber keine grosse Kunst.

Wie kommen heute Ihrer Erfahrung nach Menschen am häufigsten zum Glauben?
Durch eine Kette von verschiedenen Beziehungen.

Welche Themen verdienen eine breitete Beachtung in Landes- und Freikirchen?
Die meisten Gemeindeleiter sind sprachlos beim Thema der missionarischen Jüngerschaft. Es fehlt an flexiblen Modellen, die universal anwendbar und nachhaltig sind. Ein anderes Thema wäre für mich: Wie messen wir Reife und Frucht?

Wie halten Sie sich körperlich und geistlich fit für Ihre Aufgabe?
Im Sein: Täglich mache ich mir Gottes Gegenwart bewusst. Ich pflege ein rhythmisiertes Gebet ähnlich der mönchischen Tradition. Wichtig ist für mich lesen, feiern und die regelmässige Reflektion mit anderen Leitern in den sechs Bereichen spirituell / körperlich / emotional / mental / finanziell / sozial. Ich spiele leidenschaftlich Golf und mache auch körperliche Arbeit.

Welches war für Sie das beste evangelistische Projekt im letzten Jahr?
Wir sind alle zwei Wochen auf der Strasse mit den Tools «Hören vom Himmel» –  ca. 100 plastifizierte Bilder hängen wir an der Strasse auf und ermutigen Menschen mit einer prophetischen Schau Gottes über ihrem Leben. Hier erleben wir oft sehr berührende Momente, und Menschen werden erfasst von der Liebe Gottes. «Wunderstuhl» – Mit diesem Tool bieten wir Menschen einfach Gebet an für Heilung und Segnung. Weiter bauen wir Gemeinschaften mit «Menschen des Friedens». Wir gehen bewusst in ihre Welt hinein. Einen Menschen des Friedens definieren wir so: Ist er offen für uns als jesusgläubige Menschen? Ist er gerne mit uns zusammen, und ist er bereit, uns auch zu dienen? In diesem Sinne ist es kein einzelnes Projekt, sondern mehr ein Lebensstil.

Beschreiben Sie drei zentrale Werte Ihrer Gemeinde.

  • Up –    Beziehung zu Gott (natürlich – übernatürlich, leidenschaftliche Spiritualität)
  • In –     Radikale Gemeinschaft (Jüngerschaft, transparente echte Beziehung, Gnade)
  • Out –   missionarische Ziele (unsere Freunde, die Welt, fokussiert)

Gibt es ein besonderes, diakonisches Projekt in Ihrer Gemeinde?
Durch die Multiplizierung von grösseren Familien – Oikos – Missionarische Gemeinschaften kurz MC (ca. 15 bis 40 Personen) geschieht ein übersichtlicher und guter Ausgleich. Für jeden wird gesorgt, wenn er Teil der Familie ist.

Wir haben auch viel Kontakt zu Asylsuchenden, da wir ein Auffangzentrum in Kreuzlingen haben. Diese Beziehungen dauern zwischen einer und drei Wochen, dann werden sie auf die Kantone verteilt. Hier erleben wir immer wieder Entscheidungen für Jesus mit allen Unsicherheiten, die eine Arbeit mit Notleidenden mit sich bringt.

Ihr Lieblingsbibelvers – weshalb?
Matthäus, Kapitel 6, Vers 33: «Suche zuerst das Reich Gottes, und der Rest wird dir zufallen.» Das ist meine Lebenserfahrung.

Zur Person

Zivilstand, Familie: verheiratet, 4 erwachsene Kinder, 1 Pflegesohn
Name der Gemeinde: Vineyard Lakeside
Gründung: 
2012
Gehört zum Verband: Vineyard
Anzahl der Besucher, Mitglieder: 60 Erwachsene, 20 Kinder
Gemeindeslogan: Wenn Kirche relevant ist!
Besondere Aktivitäten: Präsident shelterschweiz – Fachorganisation für Sozialpädagogik und Sozialtherapie (Pflegeplatzwesen)
Gemeindeadresse: Vineyard Lakeside, Wiesenstrasse 3, 8280 Kreuzlingen
Webseite: www.vineyard-lakeside.com

Zum Thema:
Dossier «Innovative Gemeinden»

Datum: 26.09.2013
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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