Wegen ihrer Arbeit mit der Lepra-Mission hatte ihr Vater sie verstossen. Aus Angst, angesteckt zu werden. Trotzdem fährt Angelika Piefer mit dem Motorrad durch den Busch im Kongo und rettet mit der mitgebrachten Medizin Leben. Ein Ausgestossener wurde später sogar Dorfchef.
Angelika Piefer an der Arbeit in der Demokratischen Republik Kongo
Das Stigma ist gross, erklärt die Deutsche Ergo-Therapeutin Angelika Piefer bei ihrem Besuch im Büro der Lepra-Mission Schweiz. Sie erlebte es selbst. Als sie sich 1989 der Lepra-Mission anschloss und zunächst in Südostasien wirkte, verstiess ihr Vater sie. Er erlaubte ihr nicht einmal, ihm Briefe zu schreiben, aus Angst, sich über das Briefpapier anzustecken.
Seit mittlerweile 2007 wirkt sie in der Demokratischen Republik Kongo, inzwischen ist sie auch im Niger tätig. Sie bedauert, dass Lepra vom Gesundheitspersonal und der Weltöffentlichkeit vernachlässigt wird. «Lepra bringt kein Geld, deshalb beschäftigen sich viele lieber mit bekannteren Krankheiten. Auch ist das Leben in Gebieten wo noch Lepra herrscht, nicht sehr angenehm. Viele ziehen deshalb bald weiter.» Die Infrastruktur sei oft schlecht. Etwa im Kongo. Manche Dörfer erreiche sie nur nach einer 300-Kilometer-Fahrt durch den Busch mit einem Geländemotorrad.
Ohne Handschuhe
Angelika Piefer erinnert sich an einen Mann im Kongo, der nicht wusste, dass er Lepra hatte: «Ihn plagte eine Wunde an den Füssen, die fürchterlich stank und mit Fliegen übersät war.» Dorf und Familie hatten ihn vertrieben, weil er untragbar geworden war. «Eines Tages schulten wir unser Gesundheitsteam, das machen wir immer auch praktisch, indem wir Patienten in diese Schulung mit einbeziehen.» Der Gesundheitshelfer vom Dorf dachte, dass dieser Mann Lepra haben könnte. Tatsächlich wurde die Krankheit dann auch diagnostiziert.
«Der Mann war ausser sich, willigte aber schliesslich ein, dass wir seine Wunden versorgen durften.» Der Arzt behandelte ihn ohne Handschuhe und zeigte den Kursteilnehmern, wie man die Wunde sauber macht, wie man mit einem Messer die harte Haut abschneidet und er erklärte, dass diese Wunde wieder heilen kann.
«Diese Geste, dass ein Arzt den Fuss, der vorher gestunken hat und mit Fliegen übersät war, ohne Handschuhe anfasste, hat mehr gesprochen, als das ganze Training, das da am Laufen war», berichtet Angelika Piefer. Sie habe gezeigt, dass keine Gefahr von Lepra ausgeht. Bei einem späteren Besuch war der Mann gesund und wieder im Dorf integriert.
Ausgestossener wird Dorfchef
Eine solche Re-Integration ist kein Einzelfall. Im Nachbardorf wurde ein Mann ebenfalls ausgestossen und nach seiner Genesung wieder integriert. Später, als ein neuer Dorfchef gewählt werden musste, erhielt er das Amt. Weil er wusste, was es heisst, leiden zu müssen. Durch seine Erfahrung weiss er genau, was andere am Rande der Gesellschaft bedürfen.
Skalpell und Ackerbau
Im Kongo und Niger bildet Angelika Piefer Pfleger und Ärzte für die Lepra-Arbeit aus. «Dazu kommt auch immer wieder Arbeit im Operationssaal, wo ich mit den Ärzten schaue, wohin eine Sehne transplantiert werden kann, um zum Beispiel wieder eine Funktion der Hand zu erhalten.» Zur ganzheitlichen Beratung gehört in den Dörfern neben der Integration von genesenen Lepra-Patienten auch die Verbesserung von Ackerbau und Viehzucht. Dies erhöhe die Qualität des Lebens in den Dörfern. In einem Ort entwickelten die Dorfbewohner mit der Zeit gemeinsam eine Apotheke; vorher mussten sie die Medizin aus rund 80 Kilometer Entfernung heranschaffen.
Mit Mut und Medizin
Kritik übt Piefer an den Zahlen der WHO, weil diese die Krankheit als eliminiert ausweist, wenn weniger als eine von 10‘000 Personen betroffen ist. Piefer warnt: «Das heisst aber nicht, dass sich die Krankheit von selbst ausrottet. Alle zwei bis fünf Minuten wird eine Person neu angesteckt. Wegen der langsamen Inkubationszeit wird Lepra noch während mehreren Generationen ein Thema sein. Der Bazillus multipliziert sich 'nur' alle 14 Tage.»
Je früher die Krankheit behandelt wird, desto geringer sind die Schäden. Die Krankheit kann gestoppt werden. Wenn sich Betroffene nicht mehr verstecken, etwa in der Annahme, von einem Fluch getroffen zu sein, desto früher kann der Bazillus angegangen und abgetötet werden. Piefer stellt sich der Krankheit entgegen, mit Medizin, Mut und Aufklärung.