Mit Duldung der Regierung?

Nigeria: «Eine Art Völkermord an Christen»

In manchen Regionen Nigerias hat sich die Situation von Christen so sehr verschlechtert, dass man von «einer Art Völkermord an Christen» sprechen kann. Diese Ansicht vertrat der Kirchenpräsident der nigerianischen «Evangelical Church Winning all», Stephan Panya Baba, auf dem 6. ökumenischen Kongress «Christenverfolgung heute» in Schwäbisch Gmünd.

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Stephan Panya Baba
In Nigeria gibt es bekanntlich nicht nur die Terrormiliz «Boko Haram», sondern auch extremistische Fulani-Milizen. In Medienberichten sei häufig zu lesen, dass die schweren Auseinandersetzungen im Süden des Landes zwischen christlichen Bauern und muslimischen Fulani-Nomaden keine religiösen Gründe hätten, sondern dass es ein Streit um Land sei. Doch Panya Baba erklärte, dass die muslimischen Angreifer sich gezielt gegen Christen richteten; die Attacken liefen oft nach einem einheitlichen Muster ab. Sie nutzten örtliche muslimische Verbündete, um von Christen und Muslimen bewohnte Gebiete zu identifizieren. Die Muslime würden zumeist gewarnt und verliessen dann «ganz still» am Abend vor der Attacke das Dorf. Die Moscheen blieben von den Angriffen zumeist unberührt. Vor Gericht verantworten müssten sich die Angreifer anschliessend nicht. Stattdessen würden manchmal Christen gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen.

Fulani-Milzen haben AK-47 und Raketenwerfer

Ziel sei es, anschliessend muslimische Fulani in den ursprünglich mehrheitlich christlich geprägten Dörfern anzusiedeln. Viele Christen seien darum nun in Flüchtlingslagern untergebracht. Die Fulani-Milizen seien gut ausgerüstet. Sie hätten unter anderem Maschinengewehre (AK-47) und Raketenwerfer.

Weil sie keine Bestrafung durch die Behörden fürchten müssten, trauten sie sich, die christlichen Dörfer anzugreifen: «Es ist eine Sache, wenn Extremisten Gewalt verherrlichen, aber wenn sie Unterstützung von der Regierung haben, dann wird es sehr gefährlich», so Panya Baba.

An den Schalthebeln der Macht sitzen Muslime

Nach Aussage des Kirchenpräsidenten sitzen an den entscheidenden Stellen des Landes Muslime. Die Vorsitzenden des aus zwei Kammern bestehenden Parlaments seien Muslime, ebenso der oberste Richter und fast alle Leiter der Sicherheitsabteilungen beim Militär und der Polizei. Baba rief dazu auf, das Leid der Betroffenen nicht zu vergessen. Die Medien in Nigeria selbst seien häufig kontrolliert von der muslimischen Regierung und stellten die Situation anders dar. An die Teilnehmer der Konferenz in Schwäbisch-Gmünd gewandt sagte er: «Sie müssen unsere Stimme sein in der internationalen Gemeinschaft.»

Von den 177 Millionen Einwohnern Nigerias sind 48 Prozent Kirchenmitglieder und 51 Prozent Muslime. Das Land hält im Weltverfolgungsindex 2019 von Open Doors den 12. Platz. 2018 wurden in Nigeria 3'731 Christen um ihres Glaubens willen ermordet – mehr als in allen anderen Ländern zusammen. Auch bei Angriffen auf Kirchen (569) steht Nigeria an erster Stelle.

Zum Thema:
Sonntag der Verfolgten Kirche: Gewalt gegen Christen verdient mehr Aufmerksamkeit
Aus Rache: Nigeria: 65 Menschen bei Beerdigung erschossen
«Erstaunlich, was Gott tut»: Erste Schule von «Across Nigeria» für Fulani

Datum: 15.11.2019
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: idea / Livenet

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