Im Irak vertreibt und tötet die sunnitische Terrorgruppe IS «Islamischer Staat» systematisch Andersgläubige und Gegner. Doch anders als bei unserem «Lieblingskonflikt» zwischen Israelis und Palästinensern und dem Krieg in der Ukraine, der Auswirkungen auf unsere Heizkosten haben kann, rührt sich hier wenig Protest. Ein Kommentar von Hauke Burgarth.
«Die ISIS-Extremisten feiern sich in Videos für ihre Bluttaten.»
Es war die schiere Hilflosigkeit, die den seit fast drei Jahren dauernden Bürgerkrieg in Syrien kennzeichnete. Dort kämpfte unter anderem die IS, gewann dort Boden und Macht. Und immer noch sind es Hilf- und Sprachlosigkeit, die die Gewalt der IS im Irak von europäischer Seite kennzeichnen. Sind wir so sehr daran gewöhnt «den Iraker» als Feind zu sehen, dass wir nicht realisieren, dass sich in diesem multikulturellen Staat eine radikale Splittergruppe zum Gewaltherrscher aufschwingt?
Eine Welle der Vernichtung
Hauke Burgarth
Zahlreiche Videos auf Youtube dokumentieren das brutale Vorgehen der IS-Kämpfer. Sie zeigen Gefangene, die auf Lastwagen zu ihrer Hinrichtung gebracht und dann nacheinander von Vermummten mit Maschinengewehren erschossen werden – lässig, beiläufig, fürchterlich.
Häuser von Christen werden gekennzeichnet. Noch lässt man sie fliehen. Oft bekommen sie ein Ultimatum gestellt: Wenn ihr morgen um 12 noch in der Stadt seid, dann könnt ihr zum Islam konvertieren oder … zwischen uns ist nur noch das Schwert. Die Christen verstehen – und sie gehen. An Checkpoints werden sie von der IS aufgehalten und beraubt: Sie verlieren Pässe, Brillen, Zähne, Eheringe, alles, und werden dann im wahrsten Sinn des Wortes «in die Wüste geschickt».
Eine Herrschaft des Schreckens
Terror heisst Schrecken – und genau diesen verbreiten die IS-Milizen sehr gezielt. Wahrscheinlich haben sie bis jetzt weniger Menschen umgebracht, als viele Bilder befürchten lassen, doch die Angst, die ihnen vorausgeht, lässt die Verteidiger oft genug kampflos fliehen, wenn es heisst: Sie sind da!
Und gleichzeitig steht ihr Ziel – die Vernichtung von Christen, Jesiden, Andersgläubigen – fest. Man sollte sich also nicht darüber hinwegtäuschen: Es sind schon viel zu viele Morde geschehen. Und es werden noch entsetzlich viele folgen, wenn diesen Kämpfern kein Einhalt geboten wird.
Ein ausgebliebener Protest
Unter diesen Voraussetzungen ist es menschenverachtend, dass es keinerlei geschlossenen Protest der westlichen Welt gibt. Timo Lokoschat von der Münchner «Abendzeitung» unterstreicht: «In wenigen Tagen fallen der Terrorgruppe mehr Menschen zum Opfer als dem gesamten Gaza-Krieg.
Sie sterben nicht als 'Kollateralschäden', die ebenfalls nicht zu beschönigen sind, sondern werden bewusst getötet: mit dem Messer, dem Gewehr, dem Galgen. Über diesen Genozid, ohne Anführungszeichen, herrscht auch in den muslimischen Gemeinden auf der ganzen Welt Schweigen. Kein Aufschrei, keine Demos, keine Distanzierung. Ist es doch viel bequemer, sonntags auf den Marktplätzen den alten Todfeind Israel für alles Übel dieser Welt verantwortlich zu machen als die eigenen, entfesselten Glaubensbrüder anzuprangern, die mehr Muslime auf dem Gewissen haben als der verhasste Judenstaat.» Und er fragt nach: «Wo sind die 'Stoppt ISIS'-Plakate? Wo die Solidarität unter Muslimen?»
Die gleiche Ausweichstrategie gilt jedoch auch für Christen, wie Peter Hahne im christlichen Nachrichtenmagazin Idea pointiert festhält: «Während wir Urlaub machen, der Wohlstand Deutschlands in Rekordhöhe schnellt und die EKD damit beschäftigt ist, steuermässig auch noch das Letzte aus ihren letzten Mitgliedern herauszupressen, geschieht im Irak ein Völkermord ohne Beispiel. Zehntausende Christen sind auf der Flucht vor den Islamisten, die im Namen Allahs ein Massensterben verursachen, wie es schlimmer nicht sein kann.»
Eine fällige Entscheidung
Die Frage nach einem bewaffneten Einsatz wird auch unter Christen immer lauter – gerade im Hinblick auf weite Gebiete im Irak, die längst «christenfrei» sind, und im Blick auf die düsteren Prognosen, die eine ausgeweitete Herrschaft der IS mit sich bringen wird. Diese Entscheidungen werden nicht leicht. Aber Wegsehen ist keine Lösung: Bitte hinschauen!