Syriens evangelische Christen angesichts der Nachkriegszeit
«Die Fragen, wie geht es weiter, welche Zukunft haben wir, stellen sich jetzt unausweichlich!» – Das betonen evangelische Pfarrer aus Syrien, die sich vor dem Hintergrund eines Bürgerkriegs, der sichtlich zu Ende geht, in Beirut trafen.
Christliche Flüchtlinge aus Syrien
Rund 5000 evangelische Christen haben noch in Damaskus, Aleppo, Latakia am Mittelmeer, in Hama und den Ruinen des fast völlig zerstörten Homs ausgeharrt und überlebt. Sie sehen sich jetzt mit einer zwar nicht so gefährlichen, aber mindestens ebenso schwierigen Nachkriegszeit konfrontiert. Hoffnung auf Frieden sei da, aber keine realen Aussichten auf ein besseres und freieres Leben. Jedenfalls wollen die Gemeinden Kurse für Kriegstraumatisierte veranstalten und amputierte Kriegsopfer – darunter auch erschreckend viele Zivilisten – mit Prothesen versorgen.
Ein Anfang ist gemacht
Wenige Tage vor der nächsten Befriedungskonferenz für Syrien Ende Juli im kasachischen Astana zeichnen sich klar die neuen Realitäten nach sieben Jahren Bürgerkrieg ab: Mit Siegen des Regimes von Präsident Baschar al-Assad an allen Fronten und der Heimkehr der ersten von fünf Millionen Flüchtlingen. Sie kommen aus Libanon, das im Vergleich zu seiner Bevölkerung die meisten Menschen aus dem syrischen Nachbarland aufgenommen hat. Von ihrer Million in libanesischen Lagern haben einige Tausend schon Anträge auf Repatriierung gestellt. Ein Tropfen auf den heissen Stein – doch der Anfang ist gemacht.
Schwierige Bedingungen für Rückkehrer
Dazu kommt ein in Helsinki von Wladimir Putin und Donald Trump ins Auge gefasster Plan für die Rückkehr von immerhin 1,7 Millionen Menschen. Nach den Berichten erster Heimkehrer ist das Leben in den Trümmern von Bürgerkrieg und Islamistenterror nicht besser als in den Flüchtlingslagern oder auf einer der oft tödlichen Routen über Balkan und Mittelmeer. Aber daheim ist daheim!
Aus Homs berichtete in Beirut Mofid Karadschili, Pfarrer der reformierten Gemeinde: «Die meisten Geschäfte sind geschlossen, die leeren Wohnhäuser voller Einschusslöcher und Granatschäden. Am Ortseingang steht ein riesiges Poster von Assad.»
Von einer Absetzung des Machthabers oder einem nach einer Übergangszeit festgelegtem Rücktritt ist heute keine Rede mehr. Nicht einmal von Demokratisierung seines Regimes und damit auch mehr Religionsfreiheit. Doch Damaskus ist jetzt auf massive internationale Finanzierungshilfe für seinen Wiederaufbau, wenn nicht gar auf eine Art neuen Marshallplan angewiesen.
Christen haben mit dem Wiederaufbau begonnen
Mit dem Wiederaufbau von Kirchen und Gemeindezentren haben die syrischen Christen schon im Alleingang begonnen. Viele kirchliche Bauten hatten islamische Terrormilizen gezielt mit Granaten und Raketen beschossen. Ansonsten kann nur ein globaler Wiederaufbauplan helfen. Die Welt wird gut beraten sein, die Gewährung dieser für Assad unentbehrlichen Hilfe als Demokratisierungs-Hebel einzusetzen. Den Millionen syrischen Flüchtlingen müssen nicht nur neue Wohnhäuser gebaut, Arbeitsplätze geschaffen, Schulen und Spitäler errichtet werden. Sie müssen auch Aussicht auf mehr Freiheit, Mitregierung und persönliche Sicherheit vor politischer Verfolgung haben. Nur dann kann mit einer Massenrückkehr gerechnet werden.
Evangelische keine Lobredner für Assad
Ohne eine solche – vor allem der Rückkehr der drei Millionen syrischen Bürger in der Türkei Erdogans – bleibt die Syrienfrage auch ein europäisches Problem. Die evangelischen Christen unter Assads Herrschaft hatten sich nie zu seinen Lobrednern erniedrigt, wie das bei Orthodoxen und Katholiken der Fall war. Sie sind nun eine Keimzelle dafür, dass sich in Syrien – mit gezieltem Wiederaufbaudruck von aussen – eine demokratische Ordnung und mit ihr wahre Religionsfreiheit statt Regimehörigkeit vieler Kirchen entfalten kann.