Eine Botschaft der Hoffnung zur Fürbitte für Syrien
Der syrische Bürgerkrieg
nimmt neun Jahre nach seinem Ausbrechen kein Ende. Im nordwestlichen Idlib
liefern sich die Regierungstruppen und von der Türkei verstärkte
Muslim-Rebellen eine der seit März 2011 blutigsten Schlachten. Russland spielt
eine widersprüchliche Rolle zwischen den Parteien dieses Endkampfes.
Trümmer im Nordwesten von Idlib, Syrien (Bild: Reuters)
Allerdings feiern syrische
Christen – ob orthodox, katholisch oder auch evangelisch – jeden Erfolg des
Regimes von Damaskus bei Rückeroberung der letzten Hochburg des Aufstands. Wie
Pfarrer und Aktivisten berichten, sind Strassen
und Plätze in «befreiten» Städten und Orten «Schauplätze von
Festen und Feiern». Überall herrsche ein Klima der Freude, die Veränderung
der Atmosphäre sei «real». Der jüngste Vormarsch der syrischen Armee
in der Auseinandersetzung mit den islamistischen Gruppierungen hätte in der
Bevölkerung «Zuversicht» ausgelöst, man spüre die Veränderung. Die
Vertreibung der letzten Rebellen aus dem Umland der nordsyrischen Grossstadt
Aleppo, die damit einhergegangene Wiedereröffnung des Flughafens der einstigen
Wirtschaftsmetropole und die vollständige Übernahme der Kontrolle über die
Autobahn nach Damaskus durch die syrischen Truppen seien «positive
Signale».
Syriens evangelischer
Staatsgründer
Baschar al-Assad
Weshalb
Syriens Christen auf Diktator Baschar al-Assad setzen, hat verschiedene Gründe.
Das moderne Syrien steht auf christlichen Wurzeln. Die sind fest verankert,
auch nachdem vor den Schrecken des Bürgerkriegs eine halbe Million Christen
fliehen mussten. Jene, die in der Heimat ausharren, aber auch die Flüchtlinge
vergessen nicht, dass es der evangelische Politiker Faris al-Churi war, dem das
Land in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Befreiung von der türkischen
und dann französischen Fremdherrschaft zu verdanken hatte. Der Sohn einer
presbyterianischen Familie war zwischen 1918 und 1955 mehrmals Regierungschef
in Damaskus und hat als Finanzminister die monetären Grundlagen für Syriens
wirtschaftliche Blüte und Wohlstand bis hin zu diesem Bürgerkrieg gelegt.
Einzige arabische
Ideologie mit Religionsfreiheit
Doch
nicht nur der Staat Syrien geht mit Faris al-Churi auf einen christlichen «Gründungvater» zurück. Auch die in Damaskus führende politische
Ideologie wurde von zwei – diesmal orthodoxen – Christen geschaffen und ausgestaltet:
Dieser Baath-Sozialismus, zu Deutsch Sozialismus der arabischen Wiedergeburt,
geht auf den Lehrer und Publizisten Michael Aflak und seinen Schüler zurück,
den Staatsphilosophen Elias Farah. Ihr System steht in denkbar grossem
Gegensatz zum heute tonangebenden Politislamismus. Anstelle der bei diesem
vorherrschenden allgemeinen Unduldsamkeit und besonderen Christenfeindschaft
treten der Baath- und überhaupt der Arabische Sozialismus für allgemeine
Religionsfreiheit ein.
Zum Bleiben und Ausharren
ermutigen
Die
Baathisten regieren Syrien seit den 1960er Jahren, immer mit Christen als
Ministern in Schlüsselpositionen. Allerdings hat sich daraus eine
Militärherrschaft und schliesslich das Regime von zuerst Vater Hafis- und jetzt
Sohn Baschar al-Assad entwickelt. Bei aller bis heute aufrecht erhaltenen
Christenfreundlichkeit geht es mit seinen politischen Widersachern recht brutal
um. Lutheranerin Gabriele Hamze, die seit bald 40 Jahren im syrischen Hauran
lebt, hält besonders den jungen Assad für persönlich vertrauenswürdig: «Er
wird uns Christen traditionsgemäss weiterhin Schutz angedeihen lassen.»
Sie fordert daher: «Die Glaubensgeschwister im Ausland sollten die
syrischen Christen zum Bleiben und Ausharren ermutigen.»
Das Leben kehrt zurück
Im
Volk wird allerdings weithin angenommen, nicht Präsident Baschar habe das
Sagen, sondern die allgegenwärtigen, rücksichtslos-unmenschlichen Machtcliquen
und Staatspolizisten. Das hat sich während des Bürgerkrieges verschärft. Nach
dessen erhofft baldigem Ende könne das nur wieder besser werden, bekräftigt der
aramäische Oppositionelle Michel Kilo: «Ein wieder geeintes Syrien wird
zwangsläufig auch freier werden.» Kilo war eine führende christliche
Stimme bei den von Assad junior nach seinem Amtsantritt zugelassenen
Demokratisierungsgesprächen, bis diese unter wachsend islamistischem Druck
verstummten.
Mit Liebe und Frieden
vorangehen
An
christliche Wiedergeburt in einem unter Baschar befriedeten Syrien glaubt auch
Pfarrer Mufid Karadschili von der «Evangelischen Nationalsynode in Syrien
und Libanon» (NESSL) mit ihren 40 Gemeinden. Er hat die Hölle der total
zerstörten Stadt Homs erlebt, wo danach die meisten glaubten, Kirche und Schule
könnten nicht wieder aufgebaut werden: «Die evangelische Schule in Homs
besuchen in diesem Frühjahr wieder 1'500 Kinder und Jugendliche. Die Hälfte von
ihnen Muslime! Das ist für die Zukunft des Landes und das Zusammenleben der
Religionen beutend.» Karadschili, der jetzt in Aleppo am kirchlichen
Neubeginn arbeitet, sieht die Zukunft der syrischen Christen darin, dass sie «mit Liebe und Frieden vorangehen».