Am 18.
Juni ist der verschärfte Wirtschaftsboykott der USA gegen das syrische Regime
von Machthaber Baschar al-Assad in Kraft getreten. Die EU hatte es mit ihren
Sanktionen noch eiliger. Die internationalen Repressalien treffen
auch die syrischen Christen. Diese lassen sich aber nicht abschrecken, in ihre
vom Terror islamischer Milizen befreiten Heimatorte zurückzukehren.
Gottesdienst einer Gemeinde in Damaskus, Syrien. (Bild: koptisch.wordpress)
Die Massnahmen werden mit der Brutalität der Diktatur
von Damaskus begründet. Land und Volk hätten aber nach neun Jahren Bürgerkrieg
Hilfe beim Wiederaufbau nötig gehabt. Dies zeigt sich am Beispiel von Charaba, einer Kleinstadt, in welcher die Reformation Anfang 20. Jahrhunderts durch das Wirken der amerikanischen Missionarin
Mary Ford ankam.
Evangelische
Erweckung durch Missionarin
Die
Kleinstadt Charaba liegt in Syriens Süden nah an der jordanischen Grenze. Ihr
arabischer Name bedeutet Ruine. Er kommt von den Überresten aus römischer Zeit.
Besonders eindrucksvoll eine Brücke, die fast zwei Jahrtausende arabisch-islamischer
Invasion, von Türken- und Franzosenherrschaft sowie die Schrecken des jüngsten
syrischen Bürgerkriegs überdauert hat. Ebenso unverwüstlich haben sich Charabas
Christen gezeigt. Sie gehörten der arabisch-sprachigen «rum-orthodoxen» Kirche
an. Ein Teil, der als «Melkiten» bezeichnet wird, hat sich im 18. Jahrhundert
dem Papst unterstellt.
Die Reformation
wurde nach Charaba zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der amerikanischen Missionarin
Mary Ford gebracht. Sie kam von der Presbyterianer-Mission in Beirut. Ford
konnte im Süden Syriens unter den Orthodoxen und orientalischen Katholiken eine
Erweckungsbewegung auslösen. Auch einige Drusen gewann sie für Jesus,
Angehörige einer Mischreligion altorientalischer Mythen in islamisiertem
Gewand. Als sie nach dem Ersten Weltkrieg in den Libanon zurückkehrte, sorgte
sie zuvor in Charaba für einen Nachfolger.
Abdallah Sajeg,
Zimmermann und Prediger
Ihre Wahl
fiel auf Abdallah (Gottesknecht) aus einer alteingesessenen Familie von
Schmieden, die daher den Namen «Sajeg» erhalten hatte. Abdallah allerdings war
wie Jesus ein Zimmermann. Mary Ford betraute ihn mit dem weiteren Aufbau der evangelischen
Kirche in Charaba und dem ganzen Umkreis des «Dschebel Drus». In handwerklicher
wie in kirchlicher Hinsicht. Abdallah Sajeg, der sich durch frommen Eifer auszeichnete,
aber keine theologische Ausbildung mitbrachte, wurde von 1921 bis 1923 zum
Studium nach Jerusalem entsandt.
Von der
Hauskirche ins Gotteshaus
Nach der
Heimkehr begann Abdallah in den eigenen vier Wänden zu predigen. Aus Jerusalem
hatte er ein Fahrrad, der erste in Charaba, mitgebracht. Damit fuhr er zu
Predigten in der ganzen Umgebung. Den Lebensunterhalt für sich und seine
Familie erarbeitete er als Bauer auf den eigenen Feldern, in den Obstgärten der
Sajegs. Auf einem Hügel, der den Ort überragte, begann er mit den eigenen
Händen Kirche, Gemeindezentrum und Schule zu bauen. Seine Kenntnisse als
Zimmermann waren ihm besonders beim Dachstuhl und den Kirchenbänken behilflich.
Neubeginn
nach dem Drusenaufstand von 1925
Zur
Eröffnung der Kirche von Charaba spendeten die Presbyterianer von Beirut
Abendmahlsbecher und Gesangbücher. In der Schule wurden arabisches Lesen und
Schreiben, Rechnen und Englisch unterrichtet. Die Gemeinde blühte auf, bis 1925
der grosse Drusenaufstand gegen die französischen Kolonialherren losbrach. Alle
Christen galten den Drusen als Verbündete der Franzosen – auch die evangelische
Kirche und Schule von Charaba wurden samt dem Gemeindehaus zu Ruinen gemacht.
Unverzagt stellten die Presbyterianer des Ortes in den folgenden Jahren alles
wieder her.
Kein Ende
mit dem syrischen Bürgerkrieg
Das Ende
schien aber im letzten Bürgerkrieg gekommen. Zunächst war Charaba ein Zufluchtsort
für Christen, Drusen und Muslime. Doch hat es 2013 die mit dem weltweiten Netzwerk
von Al-Kaida verknüpfte Nusra-Miliz eingenommen. Sie vertrieb 2015 als letzten
Christen den evangelischen Pfarrer. Erst der Sieg der syrischen
Regierungstruppen und ihrer russischen Verbündeten im Süden von 2018 machte den
Weg für den Wiederaufbau und die Heimkehr der Christen frei. Es hat aber bis
Juni 2020 gedauert, bis sich auch die Evangelischen wieder einfinden konnten.
Uncerständnis
für Sanktionen des «christlichen» Westens
An den
Mauern der von Abdallah Sajegh erbauten Kirche sind noch Einschüsse zu sehen.
Doch über dem neuen Dach erhebt sich wieder siegreich das Kreuz. Etwa 200
evangelische Christen sind schon nach Charaba zurückgekehrt, berichtet
zuversichtlich ihr neuer Prediger al-Churi. An seiner Seite bemüht sich die
Aktivistin Lydia N. um die Heimgekehrten: «Die Regierung und die Russen haben
uns vor dem Islamterror gerettet. Und was tut der christliche Westen: Er sperrt
uns die nötigen Lieferungen, sogar Lebensmittel und Medikamente!»