Livenet-Talk zur Meinungsfreiheit mit Juso-Präsidentin
Die Freiheit, die
eigene Meinung weitergeben zu dürfen, ist ein grundlegendes Recht. Doch die
Auslebung dieses Rechtes stösst auch immer wieder an Grenzen. Aktuell sind
Themen wie das Klima, der Marsch fürs Läbe und Corona echte Prüfsteine für
die Schweizer Demokratie. Um diese Themen ging es in einem spannungsgeladenen Livenet-Talk
mit Ronja Jansen, Präsidentin der Jungsozialisten Juso Schweiz, SVP-Nationalrat
Erich von Siebenthal sowie Marc Jost, Generalsekretär der Schweizerischen
Evangelischen Allianz.
Florian Wüthrich im Gespräch (vrnl) mit Ronja Jansen, Marc Jost und Erich von Siebenthal (Bild: Livenet)
Das Aktuellste wurde
sogleich zu Beginn thematisiert, die Klima-Demonstration auf dem Berner
Bundesplatz, bei dem Aktivisten auf dem Platz ein Camp aufbauten, obwohl dies
nicht bewilligt war. Hiermit wurde Erich von Siebenthal direkt auf dem Weg zur
Nationalratssitzung konfrontiert. «Was mich am meisten bewegt hat, ist, dass es
nicht bewilligt war. (…) Das wirft natürlich sofort Fragen auf.» Er habe auch
mit einigen jungen Demonstranten das Gespräch gesucht und viele hätten nicht
gewusst, dass die Demo nicht legal war. «Das geht in eine Tendenz, wo man die
Leute ausnutzt», so von Siebenthal.
Ronja Jansen
Auch Ronja Jansen war
immer wieder vor Ort, erlebte dies aber anders. Sie empfand in Gesprächen, dass
die Demonstranten durchaus wussten, was sie machen, und dieses Mittel bewusst
gewählt hätten. Jansen: «Und zurecht. Man hat gesehen, dass sich in dem
Klima-Bereich in den letzten Jahren viel zu wenig bewegt hat und dann ist es
auch richtig und wichtig, dass man zu Massnahmen greift, die vielleicht ein
wenig provokativer sind.»
Marc Jost unterstützt die
Anliegen, hat aber Mühe mit der Form. «Wir leben in einer der besten
Demokratien, in der man sehr viele Möglichkeiten hat, die Anliegen vorzubringen
und dass hier jetzt bestimmte Kräfte ganz bewusst die Provokation durch
illegale Aktionen suchen, das hat mich befremdet…» Durch Kreativität könne viel
Gutes erreicht werden, provokative und illegale Aktionen könnten dagegen
kontraproduktiv sein, da sie den Dialog hinterher erschwerten.
Braucht es den Druck?
Doch ist dieser Druck
nicht nötig, um gehört zu werden? Erich von Siebenthal sieht das überhaupt
nicht so. «Was auf dem Bundesplatz abgeht, hat überhaupt keinen Einfluss auf
meine Meinungsbildung.» Dies geschehe vielmehr in den Kommissionen, auf
Veranstaltungen und durch persönliche Gespräche.
Ronja Jansen dagegen
befürwortet diese Art von Demonstrationen. «Es braucht den Druck von der Strasse.»
Dadurch hätte sich etwas bewegt, und die Parteien, die den Klimaschutz ernst
nehmen, hätten durch diesen Druck bei den letzten Wahlen «massiv zugelegt».
Und: «Ich finde, es ist eine verdrehte Situation: Es ist illegal, auf dem
Bundesplatz zu stehen und für die Zukunft einzustehen, aber es ist nicht
illegal, wenn Grosskonzerne unsere Zukunft und unseren Planeten kaputtmachen. Ich glaube, da braucht es ein Umdenken!»
Abtreibungsskepsis ja,
Hetze nein
Auf der anderen Seite wird
einer anderen Demonstration immer wieder Steine in den Weg gelegt, nämlich dem
Marsch fürs Läbe. Nachdem der Marsch selbst nicht möglich und eine Indoor-Veranstaltung
geplant war, hatten die Betreiber vom Konferenzzentrum kurzfristig den
Organisatoren das Gastrecht entzogen, weil es massive Drohungen gegeben hatte
(Livenet berichtete). Viele haben dies als massiven Einschnitt in
die Meinungsfreiheit gewertet, da es nicht möglich ist, die Ablehnung von
Abtreibungen öffentlich auszusprechen.
Wie reagierte die Juso
auf diese Meldung? «Die Juso hat sich
immer wieder gegen den Marsch ausgesprochen», so Jansen, da die Aussagen von
diversen Organisatoren nicht mehr nur Meinung seien, sondern in Hetze übergingen.
Drohungen seien der falsche Weg, aber die Juso Schweiz wolle aufzeigen: «Das
ist eine kleine Minderheit, die so über Abtreibung denkt und man muss unbedingt
das Recht haben, sich auf der Strasse dagegen zu stellen und eine
Gegendemonstration zu organisieren.» Es ginge ihr nicht darum, dass sich
Abtreibungskritiker nicht äussern dürften. «Ich glaube, was problematisch ist,
wenn aus der Abtreibungsskepsis Hetze wird, wenn also Frauen, die ihr Recht auf
Abtreibung wahrnehmen, plötzlich als Mörderinnen bezeichnet werden.»
Worum es den
Veranstaltern geht
Erich von Siebenthal (SVP)
Erich von Siebenthal warf
hierbei ein, dass es ein grosses Problem sei, wenn man nicht mehr gehört wird.
Es ginge den Organisatoren vom Marsch fürs Läbe nicht um die Leute, die selbst
abgetrieben hätten, sondern vielmehr um Änderungen in der Gesetzgebung und um
die öffentliche Hand, die dies anders umsetzen müsse. «Es geht letztlich um das Leben und um die Sorgfalt dem Leben gegenüber; ich bin der Meinung,
die ist im Moment einfach zu wenig gegeben.» Er bedaure sehr, was im
Zusammenhang mit dem Marsch fürs Läbe passiert sei. «Da frage ich mich schon:
Wie soll das weitergehen mit unserer Schweiz? Wir müssen wieder zueinander
finden auf einer Ebene, auf der man einander versteht.»
Die Schweizerische
Evangelische Allianz ist seit Jahren Trägerorganisation des Marsches. Marc
Jost: «Ich habe nie an den Anlässen, an denen ich war, Hetze wahrgenommen, wie
sie eben beschrieben wurde. Ich glaube, vieles, was derzeit vorgeworfen wird,
ist ein gewisses Vorurteil, weil nie geschieht, was wir hier machen, nämlich dass man
zusammensitzt und seriös über das Thema redet.»
Streitpunkt Gegendemos
Was ihn sehr beschäftigt, ist,
dass die Gegendemonstranten, insbesondere von der Juso, mit Geschrei und
Pfiffen versuchten zu verhindern, dass die Meinung überhaupt gehört würde. «Es
geht um das Recht, Meinungen zu äussern (…) und ich finde, das muss Platz
haben.» Es dürfe nicht geschehen, dass durch illegale Aktionen wie Drohungen
Veranstalter eingeschüchtert würden.
Hierfür empfand Ronja
Jansen überhaupt kein Verständnis. Sie würde bei einer nächsten Veranstaltung
ebenso schreien und pfeifen, weil dies nicht die Meinung der Mehrheit des
Landes sei und eine Gegendemo sehr wichtig sei… Auf den Einwand von Erich von
Siebenthal, dass so eine Gegendemo aber ja an einem anderen Tag stattfinden
könne, damit man sich nicht gegenseitig niederschreie, ging sie nicht ein. «Ich
finde es sehr legitim, dass man in dem Moment, in dem abtreibungsfeindliche
Parolen geschrien werden, auch ein Zeichen setzt (…) und dem sofort Parole
bietet.»
Kreative neue Wege
Marc Jost (Bild: zVg)
Diese Art des «Meinungsaustausches»
mit Demos, Gegendemos und gegenseitigem Niederschreien, empfindet Marc Jost keinesfalls produktiv. «Das Gespräch wird dadurch im Keim erstickt»,
weil man die eigene Meinung gar nicht mehr äussern kann, da diese sofort durch
Drohungen und Gewalt niedergedrückt wird. Er sprach dagegen von kreativen,
neuen Wegen, welche die SEA sucht, um ihre Abtreibungsskepsis zu äussern.
Provokative Symbole wie Kindersärge oder Kreuze habe die SEA noch nie
unterstützt und diese seien schon länger nicht mehr Teil der Veranstaltung. «Es
muss viel breiter sein; es muss zum Ausdruck kommen, dass es letztendlich um
das Wohl und die Würde des Einzelnen geht, aber das ungeborene Leben soll in
den ganzen Diskussionen nicht vergessen werden.»
Corona-Demos: Legitim oder anarchisch?
Ein ganz anderes Thema,
das derzeit auch die Diskussion um die Meinungsfreiheit hochschwappen lässt,
ist Corona – und die Demos von Gegnern der Schutzmassnahmen. In diesem Thema
zeigten sich die drei Gäste des Talks einer Meinung. Es herrschte breites
Verständnis für den Frust und die Verwirrung in der Gesellschaft, aber völliges
Unverständnis, wenn etwa bei Demonstrationen die Grundmassnahmen wie
Maskenpflicht und Abstandsregeln nicht eingehalten würden. Erich von Siebenthal
sprach von verhältnismässigen Lösungen. «Abstand, Masken und die Massnahmen,
das kostet ja letztlich nichts, da müssen wir uns wirklich Mühe geben. Aber
dass man z.B. Bergbahnen nicht laufen lässt, Gastronomie einschränkt», hier
seien sie dran, um tragbare und verhältnismässige Lösungen zu finden.
Auch Ronja Jansen sieht
dies ähnlich. Wenn man bei Demonstrationen keine Masken tragen oder Abstand
einhalten möchte, sei dies keine Frage der Meinungsfreiheit, sondern eine Frage
vom demokratischen Zusammenleben, da die eigene Freiheit in diesem Fall die
Freiheit der anderen ganz klar beeinflusst. «Wir müssen in der Gesellschaft
auch die Diskussion darüber führen, dass Freiheit nicht in einem luftleeren
Raum stattfindet, sondern dass Demokratie und demokratisch legitimierte
Massnahmen wie jetzt die Abstandspflicht die Einlösung für eine kollektive
Freiheit sind, die wir als Gruppe von Menschen, die zusammenleben, auch haben
müssen.»
Doch trotz des teilweise
angespannten gesellschaftlichen Klimas sind alle drei Gäste motiviert, sich
weiterhin einzubringen für die Schweiz und dabei auch die konstruktive und
respektvolle Debatten zu suchen.
Submitted by ShalomTom on 24. September 2020 - 12:37.
Die Meinungsfreiheit ist ein christlicher Wert. Je weiter wir uns von einer christlichen Leitkultur entfernen, umso mehr geht dieser verloren. Ronja Jansen ist ein Beispiel dafür. Fürs Leben darf nicht so eingestanden werden, dass man es hört. Für das Klima, die Abtreibung, etc. darf man sogar in die Illegalität.
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