Korona Hupfeld

Die Beterin in der Klosterzelle

Sie liest die Heilige Schrift in acht Sprachen, hat eine ganze Bibel stenografiert, ist jüdisch und wohnt in einem Kapuzinerinnenkloster. Korona Moria Hupfeld lebt nach dem Grundsatz «ora et labora»; sie arbeitet viel und betet reichlich. Helena Gysin hat sie besucht.

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Korona Hupfeld
Es war anfangs Jahr, als ich zum ersten Mal von Korona Hupfelds Gebetsdienst hörte. Johannes Wirth, Leiter der GvC-Bewegung, stand auf der Explo-Bühne und wedelte mit einem kleinen gehäkelten Rechteck, verziert mit hebräischen Schriftzeichen. Begeistert sagte er: «Eine Schwester aus einem Kloster schickte mir diesen Gebetsteppich und hat versprochen, für mich zu beten!» Meine Neugier war geweckt. Erst recht, als ich kurze Zeit später über einem anderen Pult eine ähnliche Häkelei entdeckte. Die Suche nach dieser Frau, die dahinter steht, führte mich ins Kloster Nominis Jesu in Solothurn. Dort leben heute sieben Nonnen; das Durchschnittsalter liegt bei über 80 Jahren.

Korona wirkt scheu

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Korona Hupfeld in ihrem Zimmer: Beten und arbeiten ist ihr Leben.
Beim Betreten des Klosters räumt der Hauswart gerade eine Weinlieferung in den Keller und läutet für mich die Glocke. Dann steht Korona vor mir. Ich bin erstaunt: Sie trägt keine Tracht, sondern eine einfache Leinenhose in Schwarz und einen ebenso schlichten Pullover in Grau. Sie hat schulterlanges Haar, ist sehr schlank und für Klosterverhältnisse unterdurchschnittliche 51 Jahre alt. Korona wirkt scheu. Sie führt mich durch den Kreuzgang, die Küche, die Bibliothek. «Die meisten dieser Bücher habe ich schon gelesen», bemerkt sie.

Wir gehen weiter durch den riesigen Klostergarten, auf den kleinen Friedhof, und bleiben in der Klosterkirche ehrfürchtig vor einem überdimensionalen Kruzifix stehen. Dann, in der Hostienbäckerei, erklärt mir Korona die Abläufe ihrer Arbeit an der Stanzmaschine: «Aus einer Platte müssen genau 56 Hostien gestanzt werden. Man muss sich konzentrieren.» Sie arbeitet viereinhalb Tage in der Hostienproduktion. So finanziert sie sich ihren Aufenthalt im Kloster.

Gebet ist anspruchsvolle Arbeit

Korona Hupfelds Leben ist diszipliniert. Jeden Morgen steht sie um 4 Uhr 45 auf. Eine Viertelstunde später beginnt ihre zweistündige persönliche Gebetszeit. Das ist auch die Zeitspanne, in der sie all die Menschen, denen sie irgendwann eine Schriftrolle gehäkelt hat, betend vor Gott bringt. Sie führt ein alphabetisches Namensbuch. Als die Grenze von 2'000 Personen überschritten war, hörte sie auf mit zählen. Die Namen der Personen findet sie in christlichen und jüdischen Zeitschriften und Büchern, in Rundbriefen oder im Internet. Mit jedem ihrer «Auserwählten» verknüpft sie einen Bibelvers. Diese Verbindungen fallen ihr dann beim Lesen der Bibel wieder ein und führen sie erneut ins Gebet. Beim Hostien Stanzen singt sie «in Zungen», wie sie sagt. Überhaupt seien viele ihrer Gebete gesungen, meint Korona, und erklärt: «Gebet ist Arbeit und körperlich sehr anspruchsvoll.»

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Gebetsteppich mit Schriftzug
Korona liest die Bibel täglich in Hebräisch, Griechisch, Lateinisch, Aramäisch, Englisch, Jiddisch und Deutsch. Sie liest die Heilige Schrift nach bestimmten Gesichtspunkten durch und schreibt entsprechende Verse auf. Unter anderem erstellte sie ein Lexikon mit allen in der Tora vorkommenden Wörtern und errechnete deren Zahlenwerte, die aus dem hebräischen Alphabet abzuleiten sind.

Erstaunliches und Unverständliches

Korona hat einen prallgefüllten Lebenslauf, sowohl beruflich als auch religiös. Sie absolvierte eine kaufmännische Ausbildung, war Buchhalterin, Sicherheitsbeamtin, Autorin und Lektorin, studierte drei Jahre Theologie, belegte einen Kurs für Wirtschaftsinformatik. Mit 24 Jahren fand sie zum Glauben an Gott. Korona bewegte sich in freikirchlichen Kreisen, begann Hebräisch zu lernen, stiess dabei auf ihre jüdischen Wurzeln und konvertierte zum Judentum. Mit 30 Jahren heiratete sie und wurde Mutter von drei Jungs. Diese sind heute 17, 18 und 19 Jahre alt und leben bei ihrem Vater.

Seit gut zwei Jahren lebt Korona im Kloster. Sie nimmt an den Gebetszeiten der katholischen Schwestern teil und hält den Sabbat. Sie bekommt vom Kloster ein Taschengeld. Damit kauft sie sich ihr Essen, das sie alleine einnimmt. An jüdischen Feiertagen geht sie in die Synagoge und selten reicht es auch für einen Besuch bei ihrer Familie. Korona vermisst nichts – ausser manchmal ihre italienische Bibel, die sie einmal verschenkt hat. 

Zum Thema:
Gebet als Lebensstil: Es ist ok, mal gebetsmüde zu sein
Wozu beten? Vier Gründe für das Gebet
Hören wie Samuel: Wenn Gott redet und wir ihn einfach nicht verstehen

Datum: 27.08.2018
Autor: Helena Gysin
Quelle: idea Schweiz

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