Hinein in die Freiheit

Wie man einfacher leben kann

Der ganz normale Alltagswahnsinn lauert an jeder Ecke. Tag für Tag haben wir die Wahl zwischen 34 Waschpulvern, 27 Turnschuhmarken und 43 Billigtarifen für unser Handy. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen die Flucht nach hinten antreten: „Simplify your life“ (Vereinfache dein Leben) heisst die Bewegung, die aus dem Land der noch unbegrenzteren Möglichkeiten nun auch auf den alten Kontinent geschwappt ist.


Was darfs denn sein? Viele Menschen haben genug von den unbegrenzten Möglichkeiten.

Doch es ist nicht so einfach, einfach zu leben. Das Problem liegt beim meinem Herz. Nicht nur die Welt um mich ist auf fast zwanghafte Art und Weise vielschichtig und kom­pliziert – mein Herz ist es auch. Ja, ich möchte ein sinnvolles Leben. Doch ich möchte auch ein Stückchen Ruhm, ein Quänt­chen Lust und einen Brocken Habgier. Die schmerzliche Wahrheit ist, dass mein Herz verstrickt ist in die Sorgen des täglichen Lebens. Oder um es anders auszudrücken: Ständig stehe ich in Gefahr, meinen Blick eben nicht allein auf das auszurichten, was im Leben wirklich zählt.

Darum besteht der erste Schritt auf dem Weg zur Einfachheit darin, die Widersprüchlichkeit meines Her­zens zu begreifen – und diese Tat­sache dann auch anzuerkennen. An welcher Stelle konzentriert sich mein Herz auf die falschen Dinge? Wo klammere ich mich an Dinge, die eigentlich unwichtig sind? Für mich persön­lich sind Stille und Gespräche mit Gott wichtige Disziplinen, wenn es um Einfachheit geht.

Damit die Einfachheit unser tägliches Leben durchdringen kann, sollten wir folgende drei Bereiche näher anschauen:

1. Einfache Aktivität

Der Mönch und Dichter Thomas Merton rief die Menschen dazu auf, ein „einfacheres und gesünderes Leben zu führen, in einem bescheideneren und menschlich angemessenen Tempo.“ Was für eine Herausforderung! Wie viele von uns leben denn in einem bescheidenen und menschlich angemessenen Tempo? Als ich letzten Sommer in die Grossstadt zog, erzählte mir ein neuer Freund: „Dein Leben verläuft wahrscheinlich im Moment sehr langsam. Aber mach dir keine Sorgen – in spätesten sechs Monaten rennt es so schnell, dass du nicht mehr weisst, wo hinten und vorn ist.“ Meine sofortige Reaktion war: „Das werde ich niemals zulas­sen!“

Wer wirklich eine Al­ternative zu dem gängigen Lebensstil unserer Zeit leben will, kann vielleicht damit beginnen, sein Leben in einem angemessenen Leben zu leben. Genau so hat es bereits Jesus vorgelebt. Er arbeitete hart und hatte trotzdem Zeit, mit Kindern zu spielen, Vögel zu beob­achten, ein Nickerchen zu machen und mit seinen Freunden zu essen. Einfachheit ruft uns dazu auf, unseren Tagesplan zu überden­ken. Aus welchem Grund? Um unsere Herzen zu schützen, damit sie den Raum haben, eine neue Blickrich­tung zu entwickeln.

2. Einfacher Besitz

„Wenn euer Wohlstand wächst“, steht in einem Psalm in der Bibel, „hängt euer Herz nicht daran!” Jesus erklärt, dass jeder seiner Nachfolger in seinem Leben mit einem „Gottesrivalen“ zu kämpfen hat, der den wahren Gott verdrängen will. Die Rede ist vom „Gott” Mammon – der Gier nach Geld, der Gier nach mehr, nach Grösserem und Besserem.

Wie aber kämpfen wir gegen die Gier nach mehr Besitz? Der „Gott” Mammon, der sich von dem Konsumgeist unserer Kultur geradezu ernährt, erzählt uns, dass wir immer mehr von allem brauchen. Doch Jesus bietet uns einen anderen Weg an: Zufrieden­heit zu kultivieren. Lernen Sie zu schätzen, was Sie bereits haben! Unsere Kultur ist süchtig nach dem Grossen, dem Neuen, dem Schnellen und dem Sensationellen. Einfachheit hingegen übt uns darin, die kleinen, bekannten, langsamen und gewöhnli­chen Dinge zu sehen und schätzen zu lernen. Dann können wir solche Dinge nicht nur sehen, sondern sie auch dankbar als Geschenke Gottes annehmen.

Da gibt es diesen grossen Apfelbaum, unter dem eine höl­zerne Bank steht. Hierher komme ich jeden Tag, um zu beten, Gottes Wort zu lesen und mit ihm zu sprechen. Dieser Apfelbaum hat nichts Spektakuläres. Tatsächlich träume ich oft von spektakulären Orten, an denen ich Gott treffen könn­te. Doch als ich unter dem Baum sass und die Vögel zwitschern hörte, wurde mir plötzlich klar, dass diese einfache Bank und dieser Apfelbaum eigentlich etwas ganz Besonderes sind. Das ist es, was uns Einfachheit lehrt. Sie bremst unsere Lust nach mehr, indem sie uns daran erinnert, was wir bereits haben. Und letztend­lich zieht sie uns damit zurück zu Gott, dem Geber aller guten Dinge.

3. Einfaches Gebet

Beten, das Reden mit Gott, ist eine weitere Sache, die durch die Ein­fachheit trainiert und gepflegt werden kann. Und auch wenn es das ein oder andere längere Gebete in der Bibel gibt, so sind doch einige der „besten” erstaunlich kurz und simpel. So bete­te zum Beispiel ein Mann mit Lepra: „Herr, wenn du willst, kannst du mich ge­sund machen!“ Oder zwei Blinde folgten Jesus und riefen: „Du Sohn Davids, hab Erbarmen mit uns!” Als Petrus in den Wellen versank, war sein Gebet sogar noch direkter: „Hilf mir, Herr!“

Warum ist Beten für uns manchmal so trocken und langweilig? Vielleicht machen wir es zu kompli­ziert, indem wir langwierige Gebete benutzen, um Gott anzurufen. Jesus benutzte einfache Ge­bete, die konzentriert und kraftvoll waren. Ein früher Meister des Gebets, John Climacus, ermutigte seine Schützlinge, ihre Gebete fest ausge­richtet zu halten: „Wenn ihr betet, dann versucht nicht krampfhaft, euch in schnörkeligen Worten auszudrücken. Denn oft sind es die simplen, wiederholten Gebete eines kleinen Kindes, die unser Vater im Himmel am unwiderstehlichsten findet.“

Einfachheit führt in die Freiheit

Jesus predigte nicht nur Einfachheit – er lebte auch geistlich ein vollkom­men konzentriertes Leben. Ich liebe das Jesus-Bild des holländischen Künstlers Gerrit Van Honthorst mit dem Titel „Christus vor dem Hohe­priester“. Darauf sitzt der Hohepries­ter sichtlich verärgert an einem Tisch, zeigt mit einem Finger auf Jesus und verurteilt ihn zum Tod. Im Licht einer einzigen Kerze sehen wir Jesus völlig ruhig, wie er den Hohepriester durchdringend anblickt. Jesu Hände sind gefesselt, sein Mantel zerrissen und er ist umgeben von selbstgefälligen und wütenden Zeugen. Und doch zieht uns das Gesicht Jesu mit seiner Stärke und Sanftheit in seinen Bann. Beschuldigt und verurteilt ist Christus immer noch bei sich und ruht in Gott – ganz schlicht.

Das ist absolute Freiheit! Denn Einfachheit bedeutet Freiheit. Jesus ist frei von Hass und Angst, frei davon, irgendjemanden zufrieden stel­len zu müssen, ausser seinen himmli­schen Vater. Und in seiner Gnade lädt er jeden ein, ebenfalls die Freiheit der Einfachheit kennen zu lernen. Er umwirbt uns, zieht uns weg von unse­rem geschäftigen und zerstückelten Leben, um uns mit unserem wahren Lebenszentrum bekannt zu machen: mit sich selbst. Gott zu kennen und in ihm zu ruhen, das ist wahre Ein­fachheit.

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Autor: Matthew Woolley


Quelle: Neues Leben

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