Ratgeber Sexualität

Seitensprung aufpolieren?

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Echte, romantische Gefühle oder nur prickelnde Begierde? Ein grosser Unterschied.
Die Medien schreiben lakonisch, dass der Seitensprung ein neues Image bekomme. Er verliere den Nimbus des Zerstörerischen und Verbotenen.

Zugleich wird die Treue zur Verhandlungssache erklärt. Alles nur Geschwätz? Livenet.ch hat genauer hingesehen.

Esther Perel, eine New Yorker Paartherapeutin, behauptet im Magazin des Tages Anzeigers, die Sexualität als eigenes Souveränitätsgebiet zu betrachten und dem Partner Freiheiten zu erlauben. «Man muss ihm diese Autonomie gewähren», meint sie fordernd im Interview, denn die Partnerschaft werde nur noch über die Liebe, nicht aber über die Sexualität definiert. Diese Antwort kommt schon etwas verschroben daher, bedenkt man, wie zerstörerisch sich ein Seitensprung auf eine Beziehung auswirken kann.

Ein Beispiel: Emma (Name geändert), 32, vermisste in ihrer Ehe mit Peter (Name geändert), 33, Zuneigung und sexuelle Erlebnisse. Sie war unglücklich. Peter lebte eher zurückgezogen und in sich gekehrt. Sein sexuelles Interesse an seiner Frau hatte sich abgenutzt, war immer kleiner geworden. Gespräche fanden kaum mehr statt. Als Emma von einem Kollegen am Arbeitsplatz auf ihr Problem angesprochen wurde, brach der Damm und sie konnte sich jemandem anvertrauen. Emma fühlte sich nach Jahren endlich wieder von einem Mann angenommen und respektiert. Als ihr der Kollege erotische Avancen machte, sagte sie nicht nein. Sie genoss es. Die Affäre dauerte rund zweieinhalb Jahre. Als Peter ungeplant einen Tag früher von einer Geschäftsreise nach Hause kam, überraschte er seine Frau mit ihrem Liebhaber im Wohnzimmer.

Peter war entsetzt und enttäuscht. Er schrie rum, packte seine Koffer und zog zu seiner Schwester. Einige Tage später stellte er seine Frau vor ein Ultimatum: «Du trennst dich sofort von deinem Liebhaber, oder ich gehe für immer.» Auch für Emma war die Situation schrecklich. Sie fühlte sich ohnmächtig, schuldig und erneut in eine Ecke gestellt. Peter aber war tief enttäuscht, misstrauisch und schrecklich empfindlich. Es schien, als sei ihre Ehe am Ende.

Von Fenstern und Mauern in der Seele

Die Paartherapeuten Dr. Elizabeth und Dr. Arthur Domig aus Salzburg kennen tragische Folgegeschichten von leichtfertigen Seitensprüngen. Und sie wissen, dass eine Affäre schneller beginnt, als man sich bewusst wird. Arthur Domig: «Wenn es erotische Funken gibt, seelische Intimität und Geheimnisse zwischen Frau und Mann, dann steht eine Affäre direkt vor der Tür.» Elizabeth Domig rät deshalb, in der Ehe die Fenster zur Seele immer wieder zu öffnen und keine Mauern zu bauen.

«Leider verwechseln wir oft Fenster und Mauern. Wir sprechen am Arbeitsplatz über Intimitäten und öffnen somit unsere Fenster zur Seele. Und zu Hause kommt der Partner dann nicht an unsere Seele heran, weil wir Mauern bauen.»

Die erfahrenen Therapeuten haben in ihrer Praxis noch etwas anderes festgestellt: «Für eine Frau ist es bedrohlich zu erfahren, dass der Mann sich in eine andere verliebt hat», verrät Arthur Domig. Der Mann hingegen ertrage den Gedanken fast nicht, dass seine Frau mit einem anderen Mann im Bett war. Ob sie verliebt sei oder nicht, bleibe dabei eher im Hintergrund. Wissenschaftliche Studien aus dem Jahre 2006 belegen, dass Männer und Frauen, die betrogen wurden, oft unter Depressionen, Gefühlsarmut und Angstattacken leiden.

Angstattacken, Streit und Vorwürfe

Tatsache ist, dass eine Ehe oft nicht direkt nach dem Seitensprung zerbricht, sondern an den späteren Verhaltensaufälligkeiten des Betrogenen und an dessen Enttäuschung und Misstrauen. Wunden heilen nur langsam und werden unter Umständen immer wieder durch Angstattacken, Streit in der Ehe und Vorwürfe an den Partner aufgerissen.

Auch bei Emma und Peter heilten die Wunden nur langsam. Eine Paartherapie half den beiden, das Vergangene zu verarbeiten. Nicht nur Emma, sondern auch Peter wurde sich seiner Fehler bewusst. Nach einigen Jahren verliebte sich Peter aber in eine andere Frau. Obwohl ihre Ehe wieder intakt zu sein schien, sagte Peter: «Nach all dem hatte ich das Bedürfnis, auch mal auszubrechen. Emma hatte sich das ja auch erlaubt.» Als er ihr die Geschichte offen darlegte, war Emma tief enttäuscht. So vieles hatten sie hinter sich gebracht; die Ehe erneuert, stets an sich gearbeitet. Die Anstrengung war gross. Die zweite emotionale Hürde schafften die beiden nicht mehr. Sie trennten sich kurz danach. Ihre zwei Kinder im Teenageralter hatten Mühe, mit der Trennung zurechtzukommen. Für alle war es ein Schock.

Sollen sie doch schreiben und reden

Fazit: Das neue Glanzimage des Seitensprungs existiert wohl nur in den Zeitungen und Magazinen. Wirft man aber einen direkten Blick ins Leben, bleibt das Zerstörerische durchaus am Seitensprung haften; auch wenn Medienschaffende in eine andere Richtung schreiben und die mondäne New Yorker Paartherapeutin Esther Perel für Autonomie in der Sexualität plädiert.


Autor: Iris Muhl
Quelle: Livenet.ch

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