«Versagen in der Ehe sollte nicht tabuisiert werden»
Trennung, Scheidung und Wiederheirat sind unter Christen
schwierige, aber aktuelle Themen. Die Tagung «Scheidung. Ende. Aus?» vom
20. Mai im Gospel Center Brugg befasst sich eingehend damit. Livenet
sprach mit Daniel Hubacher vom OK der Tagung. Er ist selbst geschieden
und engagiert sich heute in Kursen für Betroffene.
«Lieben
– scheitern – leben» heisst der Kurs, den FamilyLife seit über fünf
Jahren in der Deutschschweiz organisiert. Er soll Geschiedenen helfen,
ihr Scheitern in der Ehe zu bewältigen.
Livenet: Daniel Hubacher, Sie organisieren seit Längerem Kurse für
Geschiedene. Am 20. Mai führen Sie zudem eine Tagung dazu durch. Warum
ist Ihnen dies ein wichtiges Anliegen? Daniel Hubacher: Weil ich selbst erlebt habe, wie wichtig eine
gute Aufarbeitung ist. Ich selbst habe etwa sechs Jahre gebraucht, bis
ich mein Scheitern verarbeitet habe. Es geht in erster Linie um die
Selbstreflexion und die Selbstverantwortung. Wo ist mein Anteil daran,
dass es zur Scheidung kam?
Wie reagierte Ihr Umfeld damals auf die Scheidung? Sie waren ja in einer Leitungsfunktion, als die Beziehung in die Brüche ging.
Es war natürlich geschockt und wohl auch überfordert mit der
Situation. Ich kann aber sagen, dass sich mein nahes Umfeld mir
gegenüber fair verhalten hat. Dass mein Scheitern in der Ehe auch
Konsequenzen für meine Leitungsaufgabe hat, ist völlig nachvollziehbar.
Rückblickend bin ich dankbar, dass ich nicht zusätzlich verurteilt und
als «Christ zweiter Klasse» abgestempelt wurde. Solche Stigmatisierungen
erleben Leute in ähnlichen Situationen sehr häufig, wie ich heute aus
den Kursen «lieben – scheitern – leben» weiss.
Daniel Hubacher
Man muss auch bedenken, dass man selbst eine Krise durchmacht, wenn
die Beziehung in die Brüche geht. Ich fühlte mich damals total
minderwertig und unwürdig. Es dauerte einige Zeit, bis ich mir vergeben
konnte. Mittlerweile habe ich akzeptiert, dass dieses Versagen ein Teil
meines Lebens ist und sehe mich als einen von Gott geliebten Sünder, der Gnade gefunden hat und mit dem Gott
einen neuen Plan hat. Dieser Prozess hat zwar wehgetan, ich möchte ihn
aber nicht missen. Meine Gottesbeziehung wurde tiefer, weil ich es
gewagt habe, in meine eigenen Abgründe zu sehen und dort auch Jesus
begegnet bin. Im tiefsten Zerbruch habe ich mich besser kennengelernt
und kann heute viel mehr der sein, der ich wirklich bin.
Wie offen sind die Gemeinden in der Deutschschweiz, den Kurs «lieben – scheitern – leben» anzubieten?
Auch das ist sehr unterschiedlich. Einige sind offen, andere haben
Angst, dass weiteren Scheidungen Tür und Tor geöffnet wird. Die Leiter
dieser Gemeinden befürchten wohl, wir würden das Thema auf die leichte
Schulter nehmen, was aber definitiv nicht der Fall ist. Die Idee ist
nicht, eine Scheidung oder Wiederheirat zu «erleichtern» oder sogar
einen Freipass dafür zu geben. Für uns ist klar: Eine Scheidung ist
immer eine Niederlage, die mit einem persönlichen Zerbruch einhergeht.
Im Vordergrund steht daher die seelsorgerliche Betreuung nach dem persönlichen
Zerbruch, den Geschiedene durchmachen.
Mit der Tagung vom 20. Mai in Brugg möchten Sie ja auch besonders Pastoren und Seelsorger ansprechen…
Ja, ich beobachte einfach, dass viele Gemeinden mit diesem Thema
konfrontiert sind, aber nicht recht wissen, wie sie damit umgehen
sollen. Uns ist auch bewusst, dass es vom theologischen Standpunkt her
ein heikles Thema ist, das unterschiedlich betrachtet werden kann.
Trotzdem sollte in den Gemeinden darüber gesprochen werden. Unsere
Erfahrung ist: Je weniger das Versagen in der Ehe tabuisiert wird, desto
mehr sprechen die Leute über ihre Nöte. Entsprechend kann früher
geholfen und manchmal sogar eine Ehe gerettet werden. Deshalb habe ich
auch aufs Herz bekommen, eine Tagung zum Thema «Scheidung. Ende. Aus?»
durchzuführen, die insbesondere Pastoren und Seelsorgern eine Plattform
geben soll, sich mit Betroffenen auszutauschen.