In der Ehe gescheitert

«Ich war voller Scham!»

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Martina Haller (Bild: zVg)
Lange war Martina Haller überzeugt: «Christen lassen sich nicht scheiden!» Doch dann scheiterte ihre Ehe. Nach einem langen Weg zur Annahme von Vergebung, ist sie heute barmherziger geworden.

Als Martina Haller aus Altstätten 1998 heiratete, waren sie und ihr Mann erst Anfang 20. Neun Monate später kam ihre Tochter zur Welt und da begannen die Probleme. Sie glaubte, von ihm zu wenig Unterstützung zu erhalten und er fühlte sich von ihr vernachlässigt. Während der folgenden Jahre wurden noch zwei weitere Kinder geboren.

Das Schweigen beginnt

Es gab Tage, an denen der Mann jegliche Kommunikation verweigerte. Für Martina war dies besonders schlimm, da sie auf Ablehnung schon immer sehr sensibel reagiert hatte. Das Schweigen war für sie ein heftiger Ausdruck von Ablehnung. Irgendwann übernahm sie dasselbe Verhalten und so schwiegen sich die beiden gegenseitig an. Dass damit die Ehe immer mehr in Schieflage geriet, versteht sich von selbst.

2003 fand Martina zum Glauben an Jesus. Dadurch wurde ihr Leben positiv verändert, für die Ehe war das aber ein weiteres Hindernis. Martina schien, als hätte ihr Mann in Jesus eine weitere Konkurrenz gesehen.

Trostloses Familienleben

«Nach vierzehn Ehejahren lebten wir fünf Monate zusammen, ohne ein einziges Wort aneinander zu richten.» Da gab es keinen Gruss, einfach nichts. Auch mit der ältesten Tochter sprach der Mann kaum noch. Das Schweigen war zur Familienkultur geworden. Die Ehepartner lebten ihr Leben unabhängig voneinander und Aussenstehende wiesen Martina wiederholt darauf hin, welch schlechten Einfluss ihre Familienkultur auf die Entwicklung der Kinder habe. «Einige sprachen sogar vom Schweigen als einer Gewaltanwendung auf psychologischer Ebene.» Als Mutter war sie zunehmend besorgt.

Ein Christ lässt sich nicht scheiden!

«Dass man sich als Christ scheiden lässt, war für mich damals ein Ding der Unmöglichkeit.» Trotzdem war ihr klar geworden, dass es so nicht weitergehen konnte – gerade im Blick auf die Kinder. «Wir versuchten es mit Paartherapie, Familiencoaching, Seelsorge und ich tat alles Mögliche, um unsere Ehe auf Kurs zu bringen.»

Da dies alles nicht fruchtete, wollte Martina 2012 die Trennung. Der Mann zog aus, Martina kämpfte weiter. Für ihren damaligen Ehemann war die Trennung ein endgültiger Schlussstrich. Sie besuchten zwar weiter die Familientherapie – weiterhin ergebnislos. Der Mann hatte zwei Monate später eine neue Partnerin. «Doch auch jetzt kam für mich Scheidung nicht in Frage. Ich hoffte und betete, dass unsere Ehe doch noch irgendwie gut kommen würde.» Christen ermutigten sie, dranzubleiben. Wenn nur genug gebetet würde, käme ihr Mann schon wieder zurück – natürlich verändert. Doch er kam nicht.

Scheidung: Kapitulation und Erlösung

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Martina in der Zeit der Scheidung
«Nach der Trennung habe ich zwei Jahre gekämpft und mir dauernd überlegt, was ich noch tun konnte.» Dann reichte der Mann die Scheidung ein. «Da merkte ich, dass ich nicht mehr kämpfen musste.» Sie willigte in die Scheidung ein – er hätte sie ja auch sonst durchgesetzt.

«Heute bin ich froh, so lange gekämpft und die Ehe nicht leichtfertig aufgegeben zu haben.» Schliesslich war sie aber erleichtert, endlich loslassen zu können. Das brachte für sie und die Kinder die dringend nötige Entlastung. Psychisch ging es ihr inzwischen ziemlich schlecht.

Stigmatisiert als Geschiedene

«Ich schämte mich dafür, dass ich meine Ehe nicht hatte retten können.» Martina zog sich zurück, besuchte auch die Anlässe ihrer Kirche kaum mehr. Da sie dort gleichzeitig als Religionslehrerin angestellt war, stand sie aber in einem grossen Dilemma. «Immer wieder wurde ich von Christen verurteilt, dass ich der Scheidung zugestimmt hatte.» Solche Aussagen verstärkten ihre Scham zusätzlich. «Ein Jahr lang habe ich die Bibel durchforstet, um herauszufinden, was ich falsch gemacht habe.»

Die ganze Schuld für das Scheitern ihrer Ehe hatte sie sich aufgeladen. Und da sie jahrelang Geschiedene verurteilte, fiel es ihr jetzt schwer, Vergebung zu empfangen. Von Gott fühlte sie sich nie abgelehnt, konnte seine Vergebung aber trotzdem nicht annehmen. «Ich war voller Scham.» Heute erinnert sich Martina auch an Christen, die sie auf Gottes Liebe und Vergebung hinwiesen. «Da diese aber nie in ihrer Ehe gescheitert waren, wies ich ihre Zusprüche damals zurück.»

«Lieben – Scheitern – Leben»

2017 besuchte Martina den Kurs «Lieben – Scheitern – Leben». Die Teilnehmer waren allesamt geschiedene Christen. «Dort hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, nicht allein zu sein.» Sie lernte, dass sie trotz Scheidung wertvoll war und dass ihr Scheitern nicht schwerwiegender war als irgendein anderes Scheitern. «Das war extrem befreiend!»

Durch den Kurs fand auch Vergebung statt. Martina und ihr Exmann haben heute ein gutes, freundschaftliches Verhältnis.

Nach mehrmaligem Mitarbeiten leitete Martina 2021 erstmals selbst einen Kurs.

Eine neue Wahrnehmung ist erwacht

Gerade durch die Krise ihrer Scheidung hat sich Martinas Wahrnehmung für Menschen verändert. Es gibt viele Menschen, die an einem Mangel an Gemeinschaft leiden. «Gemeinsam mit anderen Christen gründete ich einen Verein, um Gemeinschaft zu fördern. Es ist eine Frucht meines Wandels von Gesetzlichkeit zu Barmherzigkeit, dass ich mich um Menschen kümmern möchte, egal wo sie stehen und wie sie leben. Ich möchte nicht mehr verurteilen, sondern barmherzig sein. In Gottes Augen sind wir alle wertvoll und geliebt.»

Zur Webseite:
Mehr zu diesem Engagement
Kurs «Lieben – Scheitern – Leben»

Zum Thema:
Nicht mehr verliebt?: Kein Grund zur Scheidung – sondern völlig normal
Bettina Wagner: Geschieden, alleinerziehend, aber nicht im Stich gelassen
Verlassen, enttäuscht und verletzt: Die Veränderung eines rebellischen Scheidungskindes

Datum: 28.05.2021
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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